Ursprünglich stammt die Spätblühende Traubenkirsche (Prunus serotina) aus Nordamerika, wo sie als Pionierbaumart Flächen besiedelt, auf denen zuvor große Brände, Tornados oder Kahlschläge stattfanden. Einzig in dem menschlich geprägten Kirschen-Ahorn Wald, wo sie zusammen mit dem Rot-Ahorn (Acer rubrum L.), dem Zucker-Ahorn (A. saccharum Marshall) und der Amerikanischen Esche (Fraxinus americana L.) wächst, bildet sie die kodominante Art.
Wie sie nach Europa kam
Dieser nordamerikanische Neophyt wurde erstmals 1623 in Europa in französischen Gärten gepflanzt. Wegen ihrer weißen und süß-duftenden Blüten und dem bunten Herbstlaub fand sie nicht nur dort großen Anklang. Bereits 1629 tauchte sie in britischen und 1685 in deutschen Gärten auf. In den Niederlanden war sie ab 1740 zu finden, lediglich in der Schweiz tauchte sie vermutlich erst Anfang des 20. Jahrhunderts auf. Heute hat sich dieser Neophyt soweit in unseren Wäldern ausgedehnt, dass Bekämpfungsmaßnahmen hohe Kosten verursachen und die Art zum Bestandteil unserer Waldökosysteme wurde. Zunächst jedoch wurde die Spätblühende Traubenkirsche weiter als reine Zierpflanze genutzt und war in Parks und Gärten zu finden. Die ersten waldbaulichen Verwendungen erfolgten erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Als eine von 12 gebietsfremden Baumarten wurde sie von der Preußischen Hauptstation des forstlichen Versuchswesens als anbauwürdig eingestuft. Danach wurde sie in Nadelholzaufforstungen mit geringer Stückzahl eingeführt. In den naturfernen Kiefernforsten fand die nordamerikanische Baumart beste Wuchsbedingungen vor. So lassen sich in den Niederlanden noch heute Spätblühende Traubenkirschen von den Aufforstungen von 1898 beobachten. Mit Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Spätblühende Traubenkirschebereits im großen Stil angebaut, denn Förster in Deutschland, den Niederlanden und Belgien erhofften sich Großes von dieser Baumart. Man erwartete ähnliches wertvolles Holz wie von anderen Kirschhölzern und als Pionierbaumart sollte sie karge, sandige oder moorige Böden verbessern.
Aussehen
Die relativ frostharte und anspruchslose Pionierart wird in den USA bis zu 38 Meter hoch und kann einen Durchmesser von über einem Meter erreichen. Sie wachsen als junge Pflanze außerdem auch im Schatten gut, wodurch sie auch wachsen können, wo bereits größere Bäume stehen. In Europa erreicht die Spätblühende Traubenkirsche eine Höhe von 20 Metern, in Ausnahmen sogar 30 Metern. Die dunkelbraune Rinde riecht nach Bittermandeln und die Blätter sind kräftig grün, glänzend auf der Oberseite und heller auf der Unterseite. Die dicken Blätter sind eiförmig und haben gezackte Ränder. Ihre duftenden Blüten erscheinen im Mai in Trauben und damit früher als die der Traubenkirsche (Prunus padus), ihrer europäischen Verwandten. In etwa 30 einzelne Blüten wachsen an einer solchen Traube. Im Anschluss an die Blüte wachsen kleine, zuerst violett-rote, dann schwarze Früchte. Sie sind ungefähr 10 mm klein und verfügen über einen zuerst süßlichen und dann unangenehm bitteren Nachgeschmack
Warum sie unseren Wäldern gut tut
Ihr Laub enthält ausreichend Stickstoff, um die schlecht verrottenden Kiefernadeln bei der Zersetzung zu unterstützen. Gleichzeitig kann so eine Humusschicht aufgebaut werden, die den mageren Boden aufwertet. Diese Eigenschaft macht sie besonders zum Pflanzen auf Schadflächen interessant. Denn als Pionier vermag sie den Boden vor Erosion zu schützen, sowie eine Humusschicht aufzubauen, die eine Rotbuchen-Pflanzung oder Naturverjüngung begünstigt. Buchen erhalten in ihrer Jugendphase einen geeigneten Schutz vor Sonnenbrand, wenn sie unter der Spätblühenden Traubenkirsche wachsen. Zudem eignet sich die Pionierart auch als Prävention vor Bränden, da sie eine natürliche Brandbarriere darstellt. In ihrer Heimat, den USA, wächst die kurzlebige Pionierart typischerweise zusammen mit Schattenbaumarten. Sie wächst in Lücken, die im Bestand entstehen, wenn Bäume sterben, und wird in Folge der Sukzession von dominanteren Baumarten wieder verdrängt. Sehr gute Erfolge in Europa lassen sich zusammen mit den Schattenbaumarten Rotbuche (Fagus sylvatica), Linde (Tilia spp.) und Eibe (Taxus baccata) feststellen. Die Späte Traubenkirsche bildet kein dichtes Kronendach und andere Baumarten können somit unter ihr wachsen und sie durch Sukzession zurückdrängen. Sobald sie ausgewachsen sind, gelangt genügend Licht auf den Waldboden, sodass sich auch lichtbedürftigere Arten wie Ahorn (Acer spp.), Hasel (Corylus avellana), Traubeneiche (Quercus petraea) und Douglasie (Pseudotsuga menziesii) verjüngen können.
Vielfalt erblüht durch sie
Auch kommt die Spätblühende Traubenkirsche einem großen Spektrum an Lebewesen, wie Vögeln, Pilzen und Insekten zugute. Besonders beliebt ist sie bei Vögeln, denn mehr als sechzig Vogelarten ernähren sich von ihren Beeren. Durch die Vögel erlangt sie auch ihre schnelle und weite Verbreitung, zumal ihre Samen besser keimen, wenn sie zuvor durch einen Vogelmagen gewandert sind. Im Vergleich zu der Gewöhnlichen Traubenkirsche leben seltene Insektenarten wie der Segelfalter auf ihr. So trägt sie zur Erhaltung der Biodiversität bei, auch als Nahrungsquelle für Bienen. Ihre Blüten verströmen einen lieblichen, stark süßen Duft, der weithin zu riechen ist.
Bekämpfen oder nutzen?
Hat sich die Späte Traubenkirsche bereits in unseren Wäldern verbreitet, so ist die Bekämpfung kostspielig und nahezu unmöglich. Denn durch Pflegemaßnahmen wird das Wuchspotenzial gesteigert und selbst durch die Bekämpfung mit Glyphosat lassen sich nur mäßige Erfolge verzeichnen. Da sich das Holz nicht von dem der anderen Kirscharten unterscheidet, eignet es sich sehr gut für die Vermarktung. Auch können in ihrer amerikanischen Heimat ähnlich gute Preise für ihr Holz erzielt werden. Bisher hat sich die Hoffnung eines guten Holzlieferanten jedoch nicht erfüllt, da die Bäume weniger gut als erwartet wachsen. Dies könnte daran liegen, dass hauptsächlich Kieferplantagen mit ihr unterpflanzt wurden. Dennoch gibt es Beispiele wie in den Niederlanden, wo noch heute Spätblühende Traubenkirschen von den ersten Anbauversuchen stehen.