Weidehaltung als kulturelles Erbe

Kulturelles Erbe, von Menschen über Jahrhunderte geschaffen

Die Menschen, die seit dem späten Mittelalter in den Alpen lebten, weideten ihre Rinder, Schafe und Ziegen auf den Weiden in den hohen und steilen Bergen. Das Höhenintervall ihrer Aktivitäten reichte von 600 m bis zu 2 900 m über dem Meeresspiegel.

Viele Menschen glaubten, dass die Weidehaltung von Haustieren in den Alpen ein wesentlicher Bestandteil der lokalen Identität ist. Überall, wo man hinschaut, sieht man Spuren von Weidehaltung, entweder in der fernen Vergangenheit, in jüngster Zeit oder auch heute.

Wer beim Betrachten der Landschaft in der Geschichte lesen kann, kann sich vorstellen, wie viel Mühe die Menschen vor Ort darauf verwendet haben, die Alpenlandschaft in die Form zu bringen, die wir heute kennen.

Vielfalt der Traditionen

Für viele Menschen, die heute in den Alpen leben, ist das Weiden auf den Almen ein Teil ihres kulturellen Erbes. Das Weiden ist für sie eine Tradition, die sie von ihren Vorfahren geerbt haben. 

Für sie sind Almen und Weiden der Inbegriff des Landlebens und der Tradition der Sommerweide.  Es ist ein Erbe, das es zu schützen gilt.

Für sie sind Kuh-, Schaf- und Ziegenherden, die majestätisch den Berg hinunterwandern, begleitet und bewacht von traditionell gekleideten Hirten und Hunden, Teil ihres kulturellen Erbes.

Jede Region in den Alpen hat ihre eigene Tradition, die sich im Detail voneinander unterscheidet.

Jahreszeitlicher Zyklus

Jedes Jahr im Juni werden mehrere Tausend Kühe, Schafe und Ziegen hoch auf die saftigen Almen getrieben. Sie verbringen zwei bis drei Sommermonate in den Bergen. Die Hirten kontrollieren und suchen regelmäßig mit Ferngläsern nach den Tieren, versorgen verletzte Tiere und füllen die Salzlecken auf. 

Das Vieh kehrt gegen Mitte September in die Dörfer im Tal zurück. Diese saisonale Bewegung der Herden hat eine mehrere tausend Jahre alte Tradition. Ähnliche Aktivitäten finden überall in den Alpen statt. Dieser einzigartige Brauch wurde zum Beispiel in den Ötztaler Alpen bereits von der UNESCO unter dem Namen „Ötztaler Schafzug“ als Teil des Kulturerbes der Menschheit anerkannt. Auch in anderen Teilen der Alpen gibt es ähnliche Aktivitäten. 

Die Familiengeschichte

„…während vieler Jahrhunderte wagten sich die Bauern immer höher in die Alpen, rodeten Wälder und dehnten ihre Weideflächen bis in die Berge aus… unser Vater und Großvater verbrachten den Sommer auf den Hochgebirgsweiden, so wie es auch ihre Vorgänger taten… ihre Arbeit prägte kontinuierlich das Bild der Alpenlandschaft, wie wir es heute in vielen Dörfern der Alpen sehen…“. 

Familiengeschichten wie diese verdeutlichen die enge Beziehung zwischen den Menschen vor Ort und den Alpen. Es gibt Geschichten über Vieh, das auf Bergwiesen weidet.

Die Motivation kommt von den jungen Menschen

Heutzutage erleben viele von den Großvätern geerbte Traditionen eine Wiederbelebung. Die Zahl der jungen Menschen, die im Sommer aus den Städten kommen, um in den Bergen Vieh zu hüten, nimmt zu.

Sie sind zufrieden mit einer sinnvollen Tätigkeit in der Natur, der Pflege des Bauernhofs, dem Kontakt mit Einheimischen (oft Viehhaltern) und auch mit Touristen. Sie suchen nach körperlicher Betätigung rund um die Herde, gehen hinauf auf die Almen und hinunter ins Dorf, um Vorräte zu holen.

Internationale Anerkennung ist nur ein Teil der Geschichte

Die Anerkennung durch die UNESCO ist natürlich eine starke Motivation, aber sie ist nicht alles. Die Erfahrung zeigt, dass die Sommerweide sehr vorteilhaft für die Gesundheit der Tiere ist. Vor allem jüngere Tiere entwickeln eine bessere Widerstandskraft. Regelmäßiges Weiden erhält außerdem die Bergweiden und fördert die Artenvielfalt. Die Anwesenheit des Viehs auf den Almen kommt auch dem Tourismus zugute.

Die Anerkennung durch die UNESCO ist ein wichtiges Instrument, um das Interesse und die internationale Anerkennung wiederzubeleben. Sie unterstützt die Aufrechterhaltung von Traditionen und Praktiken, die von Generation zu Generation weitergegeben werden und den Gemeinschaften ein Gefühl von Identität und Kontinuität vermitteln.

Fazit

Die Realität für Bergbauern ist oft hart und das romantische Bild der Almwirtschaft entspricht nicht immer der Realität.

Der Klimawandel lässt die Weiden austrocknen, Touristen werfen Müll weg, Mountainbiker ignorieren die markierten Radwege. Die Anwesenheit einheimischer Raubtiere erhöht die Anforderungen an die Hüter und belastet sie vor allem nachts zusätzlich.

In einer Welle der Romantik idealisieren viele die Arbeit der Hirten, die sich in den Bergen um ihr Vieh kümmern, während die Sonne scheint, aber das Leben auf der Alm kann wirklich hart sein.

Zur Almsaison gehören auch traditionelle Handwerke wie die Käseherstellung, die Schindelherstellung und die Reparatur von Trockenmauerwerk. Ein besonderes Kapitel sind lokale Bräuche wie die traditionelle Melodie, die auf dem Alphorn gespielt wird, um das Vieh von der Weide zu rufen, oder der Alpsegen, der jeden Abend vom Gipfel des nächsten Berges aus gesprochen wird.

Vika Vydarena, European Wilderness Society-Freiwillige

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