Österreich ist eines der Länder Europas mit der höchsten Schmetterlingsvielfalt. Über 4.000 Schmetterlingsarten aus 78 Familien sind bekannt, davon sind 208 Tagfalter. Die Schmetterlingsvielfalt sinkt jedoch dramatisch, mehr als 50% sind bedroht, rund 15% stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht und etwa 2% sind bereits ausgestorben. Die größte Gefährdung für Schmetterlinge stellen der Verlust und die Veränderung ihrer Lebensräume dar.
Was bedroht den Lebensraum der Schmetterlinge?
Dies geschieht vor allem durch intensive Landwirtschaft, Aufforstungen und Verbauungen. Blumenreiche alpine Wiesen verschwinden, weil es traditionelle Praktiken wie die extensive Beweidung vielerorts nicht mehr gibt und in der Folge Nektarquellen von Büschen und Bäumen überwuchert werden. Natürliche Wälder, Heidelandschaften und kalkhaltige Wiesen gehen aufgrund zahlreicher Veränderungen in der Lebensraumbewirtschaftung verloren. Ursprünglich bildeten Lichtungen in Wäldern Brutstätten für viele Schmetterlinge, aufgrund intensiver Forstbewirtschaftung und aktiver Bepflanzung mit nicht heimischen Nadelbäumen sowie Monokulturen sind diese Waldlichtungen vielerorts bereits verschwunden.
Fichtenforste prägen in vielen Regionen Österreichs die Wälder. Sie werden nur von wenigen, oft forstwirtschaftlich relevanten Schmetterlingen besiedelt. Waldrandbereiche mit einer naturnahen Struktur einschließlich Gebüschen und blütenreichen Waldsäumen sowie Heckenzeilen sind für Tagfalter wichtige Lebensräume. Auch die weit verbreitete Zerstörung der Waldmantelgesellschaften sowie Entfernung von solitären Altbäumen und Totholz wirkt sich negativ auf die Schmetterlingsvielfalt in Waldbiotopen aus. Wälder jeglicher Art sind ein wichtiger Lebensraum für viele Nachtfalter, wobei eine hohe Artenvielfalt bei den Pflanzen und eine kleinräumig unterschiedliche Altersstruktur des Gehölzbestandes gleichzeitig eine Zunahme der Schmetterlingsvielfalt bedeuten.
Die meisten Schmetterlingsarten sind Bioindikatoren, die die Qualität bestimmter Lebensräume anzeigen. Sie reagieren sehr empfindlich auf bestimmte Umwelteinflüsse. Ihr Auftreten bzw. Fehlen oder ihr Verhalten gibt Informationen über bestimmte Standort- und Umweltbedingungen, wie zum Beispiel Nährstoffverhältnisse, Wasser- oder Luftverschmutzungen oder den pH-Wert. Vor allem auch in Siedlungsgebieten verschafft uns ihr Vorkommen oder Verschwinden ein Bild vom Zustand des vorhandenen Naturraums.
Diese Arten flattern im Wald
Viele einheimische Schmetterlingsarten sind auf Wald-Lebensräume angewiesen und können deshalb als „Waldtagfalter“ bezeichnet werden. Zu dieser Gruppe gehören einige der schönsten, aber auch geheimnisvollsten Schmetterlingsarten. Manche verbringen einen großen Teil ihres Lebens hoch oben in den Busch- und Baumkronen, gut versteckt vor menschlichen Blicken. Ab und zu verlassen diese Schönheiten jedoch die luftigen Höhen und lassen sich bei der Nahrungsaufnahme oder beim Sonnenbad beobachten.
Dazu gehören der Grosse und der Kleine Schillerfalter (Apartura iris und ilia), die vor allem in der Nähe von Gewässern und in Auwäldern anzutreffen sind. Der edle Blauschwarze Eisvogel (Limenitis reducta) lebt an temperaturbegünstigten, sonnigen Waldrändern und -lichtungen und an felsigen Orten mit Strauchbewuchs. Der sehr seltene Grosse Eisvogel (Limenitis populi) wird unter den Schmetterlingen auch als König des Waldes bezeichnet, weil er in Grösse, Schönheit und Seltenheit kaum von einer anderen Art überboten wird. Sein kleinerer Bruder, der Kleine Eisvogel (Limenitis camilla), ist dagegen weit verbreitet und lässt sich auch einfacher beobachten. Er ist ein fleissiger Blütenbesucher, obwohl auch er gerne an feuchten Waldstrassen oder am Rand von Pfützen Flüssigkeit und Nahrung aufnimmt. Schillerfalter und Eisvögel saugen nämlich gerne an Exkrementen, toten Tieren oder an Baumsäften. Deshalb lassen sich diese Arten auch leicht anlocken, zum Beispiel mit stark riechendem Käse.
Der Schwarze Trauerfalter (Neptis rivularis) lebt bevorzugt in der Nähe von Bächen und ist häufig in sonnendurchfluteten Waldschluchten anzutreffen. Auch der Trauermantel (Nymphalis antiopa) und der Grosse Fuchs (Nymphalis polychloros) sind Schönheiten, die noch manchmal die Wälder durchflattern.Beide Arten findet man auch ausserhalb des Waldes, z.B. in naturnahen Obstgärten. Der Blaue Eichen-Zipfelfalter (Neozephyrus quercus) kann nur mit viel Erfahrung in den Wipfeln von Eichen erspäht werden. Der etwa 1,5 cm große Falter sitzt oft minutenlang auf Eichenblättern herum, um dann kurz aufzufliegen und eine neue Position zu beziehen. Ein typischer Bewohner von lichten Wäldern und Waldrändern ist auch der Gelbringfalter (Lopinga achine). Die Art gehört europaweit zu den bedrohten Arten, mit relativ einfachen Maßnahmen wie etwa schonender Durchforstung lassen sich geeignete Lebensräume für ihn aufwerten.
Der häufigste Waldschmetterling ist, wie sein Name schon verrät, das Waldbrettspiel (Pararge aegeria), der pro Jahr mehrere Generationen bilden kann und dessen Raupen bei ihren Nahrungspflanzen nicht sehr wählerisch sind. Kaisermantel (Argynnis paphia), Veilchen-Perlmutterfalter (Boloria euphrosyne), Aurorafalter (Anthocharis cardamines) und Landkärtchen (Araschnia levana) sind ebenfalls Arten, die sich gerne in Waldfluren, Waldrändern und Waldlichtungen aufhalten.
Mit wenig Aufwand zum Schmetterlingsparadies
Das Aufwertungspotenzial im Wald zugunsten der Schmetterlinge ist enorm. Mit verhältnismässig geringem Aufwand lässt sich sehr vieles erreichen. Die Ansprüche der jeweiligen Waldtagfalter sind sehr unterschiedlich, bei den allermeisten aber geht es um gute Besonnung des Waldbodens, also um größere Lichtungen und Schneisen. Unsere Wälder werden immer dichter und strukturärmer und die Lebensräume für Lichtwaldarten dadurch immer rarer. Denn seit Waldlichtungen kaum noch als Schaf- oder Ziegenweide genutzt werden, sind sie vielerorts verschwunden und mit ihnen die dort heimischen Schmetterlinge. Ein weiträumig isolierter Falterbestand sollte das Jahr über aus etwa 5.000 bis 10.000 Individuen bestehen, um langfristig überlebensfähig zu sein.
Um diese Größenordnung an Faltern zu erreichen, braucht man eine Vielzahl getrennter Einzelhabitate, die über eine größere Fläche gestreut sind. Das lässt sich dadurch erreichen, dass nicht nur einzelne Bäume oder Büsche, sondern ganze Gruppen mit verschiedenen Altersklassen stehen bleiben. Das Ergebnis dieser Bewirtschaftung sind halboffene, parkartig strukturierte Bestände, in denen nahezu alle Lichtwald-Falterarten vorkommen und ein genetischer Austausch zwischen den Populationen stattfinden kann. Sogenannte „Lichtlöcher“ in die Wälder zu schlagen hilft ebenso vielen heimischen, bereits gefährdeten Arten, diese Maßnahmen sollten regelmäßig in Zusammenarbeit von Naturschutz und Waldbewirtschaftern durchgeführt werden. Waldtagfalter, deren Raupen in der Krautschicht leben, können mit dem Anlegen von breiten Krautsäumen gefördert werden, die danach periodisch gepflegt werden müssen, damit sie nicht zu stark verbuschen. In der Regel werden die betroffenen Gebiete gemäht. Wichtig ist, nie alles auf einmal zu mähen und an immer wechselnden Standorten einen Teil der Fläche über den Winter ungemäht stehen zu lassen. Auch durch Sturmwürfe, Schneebruch, Schädlingsbefall oder Kahlschläge entstehen große Freiflächen, die für viele Arten sehr wichtig sind.
Die Zukunft der Schmetterlinge
Neben der Zerstörung der natürlichen Lebensräume sind viele Schmetterlinge auch vom Klimawandel betroffen. Nach dem Klimaatlas der Tagfalter Europas, herausgegeben vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und weiteren europäischen Organisationen, könnten 70 der rund 300 untersuchten Arten 95% ihres Lebensraumes verlieren, wenn das schlimmste Klima-Szenario eintritt: ein Temperaturanstieg von 4,1 Grad Celsius bis 2080. Auch ein geringerer Temperaturanstieg von 2,4 Grad Celsius wäre für die Falter fatal: 147 Arten würden mehr als die Hälfte des für sie geeigneten Areals verlieren.
Der ideale Lebensraum vieler Schmetterlinge hat sich bereits in den letzten beiden Jahrzehnten in Europa schneller nach Norden verschoben, als die Arten mit wandern können. Bestimmte wärmeliebende Arten sind klimabedingt in den letzten Jahren aber auch eingewandert oder häufiger geworden, so z.B. Schwalbenschwanz, C-Falter oder Kaiserfalter. Kleiner Fuchs, Tagpfauenauge und Landkärtchen haben ihren Lebensraum sogar ausgeweitet, diese Arten sind aber Anzeiger für eine degradierte Umwelt. Generell werden die Populationen vieler Schmetterlingsarten durch den Klimawandel kleiner und dadurch verwundbarer, sie könnten in den nächsten Jahren komplett verschwinden. Umso wichtiger ist es also, noch vorhandene Schmetterlingsbiotope zu erhalten und wieder neue Lebensräume zu schaffen, um die Schmetterlinge auch in Zukunft bestmöglich zu erhalten und zu fördern.