Der Klimawandel ist kein neues Phänomen. Trotzdem ist er dringender denn je. In Zentraleuropa jagt seit 2018 ein Hitze- und Dürrerekord den nächsten. Darunter leiden besonders unsere Wälder. Besonders die gepflanzten uniformen Kiefer- und Fichtenmonokulturen auf oft ungeeigneten Standorten haben dem nichts entgegenzusetzen. Diese wurden seit dem zweiten Weltkrieg gepflanzt, weil sie schnellen Ertrag versprechen und einfach zu bewirtschaften sind. Im Angesicht der Klimakrise ist jedoch klar, dass diese Monokulturen kein zukunftsträchtiges Modell sind. Aber auch natürliche Wälder können den Wetterextremen oft nicht mehr standhalten. Die anhaltende Dürre wird auch naturnahen Buchenwäldern gefährlich, die eigentlich resilienter gegenüber Trockenheit sind. Experten sind sich einig, dass die Hitze- und Dürrewellen zwar der Auslöser für das Waldsterben sind, die eigentliche Ursache für flächendeckende Brände, Krankheiten und Schädlingsbefall aber die kurzsichtige Forstwirtschaft der letzten Jahrzehnte ist.
Schneller Profit oder Resilienz?
Die Krux sind oft vielfältige Interessen, die mit der Forstwirtschaft verbunden sind. Für viele private Waldbesitzer und öffentliche Forstbetriebe ist Profitabilität immer noch die oberste Maxime. Sie befinden sich in Abhängigkeit von einem System, das Wald als wirtschaftliches Vermögen ansieht und auf möglichst viel Ertrag mit möglichst billig produzierten Holz ausgerichtet ist. Naturschützer hingegen fordern, die ökologische Bedeutung des Waldes in den Mittelpunkt zu stellen. Der Wald ist eine der wichtigsten Komponenten im Kampf gegen die Klimakrise und erfüllt eine Vielfalt an ökologischen Funktionen. Als Antwort auf die Kimakrise fordern viele jedoch auch Holz vermehrt als Baustoff einzusetzen, da es im Gegensatz zu vielen anderen Baustoffen in der Produktion Kohlendioxid bindet statt ausstößt.
All dies zeigt, dass der Wald eine Vielzahl von Ökosystemdienstleistungen bereitstellt, aber die Menschheit noch mehr von ihm fordert. Die Frage ist also, wie wir all dies unter einen Hut bringen können: Ein Wald, der der Klimakrise standhalten kann, gleichzeitig seine ökologischen Funktionen und Ökosystemdienstleistungen wie die Wasserversorgung und Temperaturregulation aufrechterhält und dazu noch Holz als nachhaltiges Bau- und Energiematerial liefert.
Der Natur ihren Lauf lassen…
Viele Experten betonen als oberste Maxime den passiven Waldumbau hin zu einem natürlich gewachsenen Mischwald. Dieser sollte eine heterogene Arten- und Altersvielfalt aufweisen. Die Überlegung dahinter ist, dass natürlich gewachsene, heterogene Waldgemeinschaften am besten an den jeweiligen Standort angepasst sind und resilient gegenüber sich verändernden Umweltbedingungen sind. Der Weg zu einem naturnahen Mischwald ist relativ einfach. Hier gilt weniger ist mehr. Auf Schadflächen muss eine natürliche Sukzession erlaubt werden. Das bedeutet, dass diese nicht geräumt und wieder bepflanzt werden, sondern Bäume ungestört aus eingetragenen Samen wachsen können. In intakten Wäldern muss systematischer Kahlschlag ausgeschlossen werden und Holzeinschlag muss darauf ausgerichtet sein, Voraussetzungen für die natürliche Regeneration verschiedener heimischer Arten zu schaffen.
Nebst dem Waldbau ist auch das Wildtiermanagement ein entscheidender Faktor, um einen gesunden, naturnahen Wald zu kreieren. Die unnatürlich hohe Dichte and Schalen- und Schwarzwild beschränkt vielerorts die natürliche Regeneration durch übermäßigen Verbiss. Außerdem sollte mehr Totholz im Wald zurückgelassen werden, da dieses Wasser bindet, eine gesunde Mikrofauna fördert und zu niedrigeren Temperaturen im Waldinnern beiträgt. Insgesamt sollte bei der Bewirtschaftung von Wäldern der Horizont erweitert werden. Die Gewinne durch Holzverkauf dürfen nicht im alleinigen Fokus stehen. Eine nachhaltige Bewirtschaftung muss alle Funktionen des Waldes für Mensch und Natur fördern. Dabei stechen besonders Speicherung von Kohlendioxid, Wasserspeicherung sowie -versorgung, Kühlungseffekte und der Schutz der Böden heraus.
… oder aktiv eingreifen
Während sich die Experten bei vielen Forderungen einig sind, gibt es jedoch auch ein Lager, dass einen aktiveren Einsatz zum Waldumbau fordert. Sie wollen aktiv Bäume aus wärmeren Regionen wie Südeuropa, Zentralasien und Amerika anpflanzen, die besser an Hitze und Dürre angepasst sind. Seit einigen Jahren werden Experimente durchgeführt, wie diese Arten in Zentraleuropa gedeihen und welche Auswirkungen sie auf unsere Ökosysteme haben könnten. Diese Arten könnten systematisch auf Schadflächen angepflanzt werden, um schnell einen klimaresilienten Wald zu schaffen.
Egal welchen von beiden Ansätzen man wählt, Grundvoraussetzung für einen zukunftssicheren Wald ist es, seine Bedeutung anzuerkennen. Dazu zählt Forstämter mit genug finanziellen Mitteln, Personal und zukunftsorientierten Aus- sowie Weiterbildungen auszustatten, genug Geld für Forschung bereit zu stellen und Wälder systematisch zu überwachen. Auch die Holzindustrie muss ihren Beitrag dazu leisten, da Holz keine unendliche Ressource ist, sondern ein kostbares und begrenztes Gut. Daher muss der Einsatz von Holz effektiv stattfinden und Holzpreise hoch genug sein, um eine naturnahe Waldbewirtschaftung rentabel zu machen. Das ermöglicht auch eine schonende Holzernte, die die ökologischen Funktionen des Waldes möglichst wenig beeinträchtigt. Dabei muss in größeren Dimensionen als einzelnen Beständen und langfristigen Zeiträumen gedacht werden. Dazu gehören auch die Schaffung großer, zusammenhängender Wildnis- und Naturwaldgebiete.
Die letzten zwei Jahre sind keine kurzfristige Krise, sondern der Start einer langfristigen Entwicklung, die Wälder weltweit unter zunehmenden Stress setzen wird. Förster, Jäger, die Holzwirtschaft und Konsumenten müssen entsprechend verantwortlich handeln, um diese Lebensgrundlage bestmöglich zu erhalten.