Lawinen und Wälder

Was sind Lawinen?

Eine Lawine ist eine schnelle und plötzliche Rutschung einer großen Menge Schnee den Hang hinunter. Lawinen sind ein natürliches Phänomen in Mittel- und Hochgebirgslagen. Auch in den österreichischen Bergen herrscht im Winter öfters Lawinengefahr. In Mittelgebirgslagen und insbesondere an der Baumgrenze können sie eine erhebliche Auswirkung auf Wälder haben.

Wann besteht Lawinengefahr?

Eine entscheidende Voraussetzung für die Bildung einer Lawine ist die Neigung des Geländes, seine Glätte und Kompaktheit an der Ablösungsstelle. Wichtig ist eine Exposition, die eine übermäßige Ansammlung von windgetragenem Schnee ermöglicht, sowie ein Mangel an Baumvegetation.

Meteorologische Faktoren wie die Höhe des Neuschnees, Wind, Lufttemperatur, möglicher Regen und Sonneneinstrahlung spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle bei der Entstehung von Lawinen.

Lawinen sind eine Bedrohung für Menschen

Lawinen stellen eine ernsthafte Gefahr für Menschen dar, die in den Bergen leben. Dies sind Gebiete, in denen es steile Hänge und in der Regel eine dicke Schneedecke gibt.

Jedes Jahr sterben Hunderte von Menschen in europäischen Bergen durch Lawinen. Der größte Anteil von ihnen, normalerweise über 80%, sind Menschen, die sich in freiem Gelände bewegen, wie Skifahrer, Skialpinisten und Bergsteiger. Leider passieren solche Unglücke auch des Öfteren in Österreich, wo sich viele Menschen für den Wintersport begeistern.

Lawinen verursachen auch jedes Jahr erhebliche Schäden an Wohngebäuden, Verkehrsinfrastruktur und Bergwäldern.

Lawinen als natürliche Prozesse

Lawinen sind ein wichtiger natürlicher Prozess und haben daher eine unersetzliche Bedeutung für die Entwicklung natürlicher Gebirgsökosysteme. In der Regel entstehen sie spontan ohne menschliches Eingreifen. In den letzten Jahren, mit dem steigenden Trend des Wintertourismus, nimmt jedoch die Anzahl von Lawinen zu, die durch fahrlässiges Verhalten des Menschen verursacht werden.

Lawinen und Wälder

Gebirgswälder, insbesondere der Wald in der Baumgrenze, sind ein bedeutendes stabilisierendes Element für die Schneedecke. Der Wald beeinflusst somit die Häufigkeit und Größe von Lawinen. Dieser Einfluss wird vom Wald in der Höhenzone ausgeübt, in der er aufgrund der klimatischen Bedingungen noch wachsen kann. Unter diesen Bedingungen ist der Wald ein bedeutendes stabilisierendes Element für die Schneedecke und beeinflusst so die Größe und Häufigkeit von Lawinenabgängen.

Schnee wird insbesondere in natürlichen Gebirgswäldern ungleichmäßig abgelagert. Alte, kräftige Bäume begrenzen die Schneeübertragung durch den Wind erheblich. Auf diese Weise verhindern sie die Bildung von Strömungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt den Auslöseprozess darstellen könnten, der schließlich zu einer Lawine führen würde.

Viele Experten betrachten Wälder in einigen Bergregionen daher als die beste Prävention gegen Lawinen.

Lawinen und Förster

Eine der Aufgaben von Förstern, die in bewaldeten Gebirgen mit möglichen Lawinengefahren arbeiten, besteht auch darin, diese zu verfolgen, zu überwachen und gegebenenfalls vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, um ihre zerstörerische Wirkung auf die umliegenden Wälder sowie auf von Menschen errichtete Objekte zu verringern.

Ihre Aktivitäten in Zusammenarbeit mit Touristen, Skifahrern und Bergsteigern führten allmählich zur Gründung spezialisierter Organisationen. Wir kennen solche Organisationen aus den Alpen (Lawinenwarndienst Tirol) oder aus den Karpaten (Lawinenpräventionszentrum, Slowakei).

Ihre Aufgabe besteht darin, täglich die für die Bewertung der Lawinensituation erforderlichen Daten zu sammeln, den Grad der Lawinengefahr zu bestimmen und tägliche Informationen über die Lawinensituation für die Öffentlichkeit zusammenzustellen usw.

Fazit

In Gebieten oberhalb der Baumgrenze sammeln sich oft große Schneemassen an. Das Abrutschen einer großen Menge Schnee den Hang hinunter hat sehr oft verheerende Auswirkungen auf die darunter liegenden Wälder. Es handelt sich hauptsächlich um Staub- oder Grundlawinen aus schwerem nassen Schnee, die in regelmäßigen Abständen tief in die Bergwaldzone eindringen.

Die Verteilung der Wälder in Bergtälern mit regelmäßig auftretenden Lawinen spiegelt sehr deutlich die Gebiete wider, die aus verschiedenen Gründen von Lawinen gemieden werden. Dort wachsen mehrere Jahrhunderte alte Wälder. Es steht im starken Kontrast, wenn nur wenige Meter daneben ein steiler Hang liegt, auf dem Tonnen von schwerem Schnee in Form von Lawinen fast jedes Jahr fallen. Lawinen modellieren somit die Verteilung der Wälder in Tälern in ganz Europa.

Vlado Vancura, European Wilderness Society

Darstellung des prähistorischen Waldes

Auf der Suche nach Urwäldern

Das Wissen über prähistorische Wälder liefert interessante Informationen über die dynamischen Veränderungen in der Landschaft.

Veränderungen, die vor unseren Augen stattgefunden haben und immer noch stattfinden, ohne dass wir sie bemerken. Einfach deshalb, weil die Perspektive der Länge des menschlichen Lebens oft langsam ist und daher nicht immer leicht zu erkennen ist.

Der Grund dafür ist einfach. Die nachfolgende Generation nimmt als Vergleichsbasis immer das Aussehen des Landes, seit seine Vertreter auf die Welt gekommen sind. In der Regel ist das Erscheinungsbild des Landes, wie es aussah, als sie jung waren, in ihrem Gedächtnis eingeprägt.

Alle Veränderungen, die im Lande stattfinden, werden mit diesem Moment verglichen. Wenn sich Veränderungen sehr, sehr langsam vollziehen, nehmen ganze Generationen von Menschen im Grunde gar nicht wahr, dass sich etwas verändert hat. Und selbst wenn sie die Veränderung wahrnehmen, ist sie für sie oft unwichtig und es entspricht nicht einmal ihrem Ziel, das Land umzugestalten.

Kurz gesagt, es handelt sich um Veränderungen, die die Menschen nur beurteilen können, wenn sie die Landschaft mit einem Abstand von mehr als ein paar Jahrhunderten betrachten.

In der Fachwelt wird diese Tatsache als Shifting-Baseline-Syndrom bezeichnet.

Dynamik der Entwicklung eines Landes

Das Wissen über prähistorische Wälder aus der Vergangenheit hilft uns auch, die Dynamik der aktuellen Waldentwicklung zu verstehen. Wir können lernen, wann und wo der Wald über Jahrhunderte oder Jahrtausende das dominierende Element im Land war. Wir können sogar die Dynamik des gesamten Landes erfahren.

In dem ausgewählten spezifischen Gebiet kann uns dieses Wissen ein interessantes Bild über die Abfolge, nämlich die Langsamkeit oder im Gegenteil die Geschwindigkeit dieser Veränderungen, vermitteln.

Das Wissen ist da, die Visualisierung fehlt

Die Menschen sind oft überrascht, wie viel Wissen über die Veränderungen in früheren Zeiten bereits heute vorhanden ist. Forscher*innen und Wissenschaftler*innen wissen bereits, welche Art von Wäldern in einem bestimmten Gebiet wuchs und wann. Wie diese Wälder die umgebende Landschaft mit ihrer Anwesenheit beeinflussen, wie sie von den Veränderungen betroffen waren, die die Landschaft durchlief.

Die Ergebnisse der harten Arbeit der Forscher*innen werden normalerweise in wissenschaftlichen Berichten zusammengefasst. Oft sind es Informationen, die uns sagen, welche Art von Wäldern in welchem Gebiet wuchs. Es liegt jedoch an unserer Vorstellungskraft oder unseren Erfahrungen, wie wir sie uns in unserem Kopf vorstellen und in reale Bilder umsetzen können.

Diese Dokumente sind jedoch nicht immer verfügbar oder für die breite Öffentlichkeit leicht verständlich. Oftmals sind die Dokumente zu technisch und voller Fremdwörter für die Normalbürger*innen. Dies lässt sich zumindest teilweise ändern, wenn man sich die Veränderungen in der Landschaft vor Augen führt. Ein Vergleich, wie das Land, sagen wir, vor zweitausend Jahren und heute aussah.

Visualisierungsprojekt

Diese Erkenntnisse führten zur Schaffung eines interessanten Projekts mit dem Titel “Visualisierung prähistorischer Wälder – prähistorische Wildnis”. Sein Ziel ist es vor allem, ein Beispiel für die Visualisierungsmöglichkeiten zu geben und ein besseres Verständnis für die Vorgeschichte unseres Landes, in dem wir leben, zu ermöglichen. Oft ist es die Geschichte, über die wir viel wissen, die wir uns aber nicht vorstellen können.

Eine kleine Gruppe von Enthusiasten, die am Fuße der Tatra, dem höchsten Gebirgszug der Karpaten, lebt, beschloss zu versuchen, etwas zu visualisieren, das anfangs nur in ihren Köpfen und Gedanken existierte. Die Motivation war der Wunsch, diese Erfahrung mit ihren Freunden oder mit Menschen, die sich für dieses Thema interessieren, zu teilen.

Team-Projekt

Ein kleines Team von internationalen Fachleuten (aus der Slowakei und Österreich) wählte die Umgebung des majestätischen und dominierenden Gipfels der Slowakei – Kriváň – als Modellgebiet. Es ist das Gebiet, in dem der slowakische Teil des Teams geboren wurde, aufgewachsen ist und lebt. Nach langen Vorbereitungen haben sie schließlich den Beginn der Umsetzungsphase erreicht.

Dies ist der Moment, in dem unter den geschickten Händen von Computerexperten ein Bild der Vorgeschichte zu entstehen begann. Das Bild zeigt einen Ausschnitt der heutigen Landschaft, wie sie wahrscheinlich vor 2.000 Jahren aussah. Es ist ein Bild, das in seinem Ergebnis eine einfache und anschauliche Hilfe für die Allgemeinheit darstellt. Ein Bild einer echten Landschaft aus der Vorgeschichte.

Die Arbeit wird von einer Gruppe internationaler Berater geleitet, die eine enge Beziehung zur Naturgeschichte dieses Gebiets haben.

Fazit

Das Team von Enthusiasten ist sich bewusst, dass sie noch am Anfang der Reise stehen. Aber was sie motiviert, ist die Tatsache, dass ein Projekt, das unter ihren Händen entstanden ist, in diesen Tagen und Wochen allmählich ein reales Bild annehmen wird. Sie glauben, dass sie ihr Planungsziel bald erreichen werden.

Ich war sehr interessiert an der Möglichkeit, an dem Projekt zur Visualisierung prähistorischer Wälder in einem Land teilzunehmen, das ich sehr gut kenne und liebe. Computergrafik ist eines der Themen, die ich an unserer Schule studiere, daher bin ich sehr froh, dass ich an der Erstellung des grafischen Teils des Projekts beteiligt sein kann. Ich habe seit den ersten Treffen eine Menge gelernt und freue mich auf jedes weitere Arbeitstreffen.

Zuzana Lukáčová, Freiwillige und Studentin an der Elektrotechnischen Berufsfachschule in Liptovský Hrádok, Slovakia

Spannende Outdoor-Workshops mit Jugendlichen im Wald

Ende September hielt die European Wilderness Society mehrere outdoor-Workshops ab, um Jugendlichen aus Italien, Slowenien, Österreich, Deutschland und der Ukraine die Bedeutung des Waldes, seine Funktionen sowie wichtige Infos zum Verhalten im Wald näherzubringen. Die 3 Workshops mit je ca. 20 TeilnehmerInnen fanden im Salzburger Lungau statt, natürlich direkt im Wald.

Junge Forscher im Wald

Zu Beginn zählten die Jugendlichen alle möglichen Tier- und Pflanzenarten auf, die ihnen als Bewohner des Waldes einfielen.

Die Jugendlichen erforschten direkt vor Ort die verschiedenen Stockwerke des Waldes. Sie entdeckten Käfer, Schnecken und andere Bewohner der Bodenschicht, das eine oder andere Eichhörnchen als Bewohner der Kronenschicht sowie verschiedene Vögel, die mehr gehört als gesehen wurden. Die Jugendlichen versuchten anhand der Rinde und der Blätter oder Nadeln die verschiedenen Baumarten zu bestimmen und die Waldzusammensetzung abzuleiten. In dieser Region sind vorwiegend Nadel- oder Nadelmischwälder zu finden. Auch die wichtigen Funktionen des Waldes als Schutzwald, Lebensraum für Menschen, Tiere, Pflanzen und Pilze, Schadstofffilter, im Klimaschutz sowie die Waldnutzung und deren Auswirkungen wurden vom Workshopleiter erklärt.

Danach erfuhren die Jugendlichen die Prinzipien von „Respect Nature“, also wie man sich im Wald und in der Wildnis richtig verhält.

Wie man richtig Feuer macht

Dann ging es ans Eingemachte: Der Wildnisexperte Vlado Vancura zeigte den Jugendlichen, wie man in freier Natur richtig und gefahrlos ein Feuer macht. Feuer spielte immer eine sehr wichtige Rolle im menschlichen Leben. Viele Jahrhunderte lang wurde es für die Essenszubereitung, zum Aufwärmen etc. verwendet. Kurz gesagt, das Leben spielte sich rund um das Feuer ab. Heutzutage wird das „Lagerfeuer“ als Freizeitaktivität angesehen und dabei ist es sehr wichtig, genau zu wissen, wie man es richtig macht. Aufgrund der Klimaveränderung und daraus resultierender Trockenheit und Waldbrandgefahr muss man sehr vorsichtig sein, wenn man ein Feuer in freier Natur machen will.

Nachdem die Jugendlichen im Wald einiges an Feuerholz gesammelt hatten, ging es los. Vlado erklärte die richtige Aufschichtung des Holzes, das Anzünden sowie das Löschen des Feuers am Ende.

Kurz zusammengefasst: Wenn jemand in freier Natur in Feuer machen will, ist die wichtigste Regel, zuerst zu checken, ob das überhaupt erlaubt ist. Denn es gibt einige europäische Länder, wo das Feuer machen in freier Natur verboten ist. Als Alternative zum Lagerfeuer gibt es heutzutage auch kleine tragbare Griller, die ebenfalls wärmen und man sich schnell etwas zu essen kochen kann.

Wenn man sich aber doch entschließt, ein Feuer zu machen, sollte man sich sicher sein, dass:

– man es nicht direkt im Wald macht,

– es windstill ist,

– bereits existierende Feuerstellen verwendet werden,

– nur kleine Stücke von Totholz verwendet werden und niemals frisch abgeschnittene Äste von Nadelhölzern.

Es ist auch sehr wichtig, das Feuer die ganze Zeit im Auge zu behalten und am Ende das Feuer mit Wasser zu löschen. Auch da sollte man sicher gehen, dass wirklich alles gelöscht ist und keine Glut mehr vorhanden ist.

Literaturexkurs am Lagerfeuer

In der angenehmen Atmosphäre des Lagerfeuers wurden den Jugendlichen die 4 Fachjournale, die im Rahmen des Projektes „Multiperspektivischer Blick auf die Biodiversität im Wald“ entstanden sind, vorgestellt. Die Hefte behandeln folgende Themen: Neue Arten – Chance oder Risiko, Waldbrände – von der Prävention zur Regeneration, Der Einfluss von Fauna auf den Wald, Hin zur naturnahen Waldwirtschaft.

Die Jugendlichen nahmen sehr viele neue und inspirierende Erfahrungen von diesen Workshops mit nach Hause und wir bedanken uns bei ihnen für den tollen Tag!

Neue Karten zeigen wie Wälder in Österreich geschützt und genützt werden

Die Wichtigkeit von Wäldern auf globaler und lokaler Ebene ist inzwischen hinreichend bekannt. Für uns Menschen sind Wälder auf der ganzen Welt nicht nur eine bedeutende Quelle für natürliche Ressourcen, sondern auch Rückzugsort für wichtige Tier- und Pflanzenarten sowie ein Platz für Erholung Freizeitaktivitäten. Im Zuge des weltweiten Klimawandels werden sie außerdem immer wertvoller als CO2-Speicher und zur Regulation des lokalen Klimas. Innerhalb eines Waldes kann es nämlich bis zu 5° Celsius kühler sein als außerhalb der schützenden Baumkronen.

Das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft in Österreichs hat nun neuen Karten mit dem Schutzstatus österreichischer Wälder erstellt.

Was zeigen die neuen Karten?

Die Karten sind ab sofort online abrufbar und für jeden auf der Seite schutzwald.at/karten öffentlich verfügbar. Die interaktiven Karten sind mithilfe von GIS (Geographical Information System) Software erstellt worden und über eine Basiskarte von Österreich gelegt.

Interessierte Nutzer können sich nun die Verbreitung der verschiedenen Schutzkategorien ansehen, sowie in niedrigerer Auflösung auch Karten der Bannwälder und flächenwirtschaftlichen Projekte.

Wie wurden die Karten erstellt?

Die Daten für die Karten kommen aus jahrelangen Erhebungen und Forschung zum Thema Wald in Österreich. Primär geht es dabei natürlich um die Schutzfunktion, weshalb Geodaten über Naturgefahren an erster Stelle standen. Geografische Informationen darüber, wo und wie oft etwa Lawinen, Steinschläge, Erdrutsche oder andere Naturereignisse passieren, wurden mit Infrastruktur-Daten kombiniert um eine lokale Gefahrenstufe zu erzeugen (=Objektschutzfunktion).

Außerdem wurden Waldgebiete eingeschlossen, die in Bezug auf Wind, Wasser oder Schwerkraft eine schützende Wirkung haben. Beispielsweise indem sie mit ihrem Wurzelgeflecht Erosion verhindern, oder die Wirkung von Überschwemmungen abmindern.

Die hierdurch entstandenen Kategorien wurden dann von Experten kontrolliert. Alle 3 Jahre sollen die Karten ab jetzt überprüft und falls nötig aktualisiert werden, um immer auf dem neuesten Stand zu bleiben.

Warum gibt es solche Karten?

Für interessierte Bürger stellen solche Karten eine einfach zugängliche Informationsquelle über Österreichs Wälder dar. Sie sollen auch bei der Öffentlichkeit das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Wälder stärken und mehr Aufmerksamkeit auf das Ökosystem Wald lenken. Visuelle Medien wie solche Karten sind bei der Wissensvermittlung and die breite Öffentlichkeit ein wichtiger Bestandteil.

Besonders wichtig sind solche Karten aber auch für die in der Forstwirtschaft agierenden Personen: sie stellen eine kostenlose, übergreifende und öffentlich verfügbare Grundlage dar, die bei Kommunikation und Planung über Wald-bezogene Projekte wichtig sein wird. Sie können also als Hilfsmittel für zukünftige Schutzprojekte und Forstwirtschafts-Maßnahmen verwendet werden.

Ähnlich hilfreiche Karten gab es schon früher, z.B. eine Waldbrand-Risiko-Karte.

Fazit

Die neuen Schutzkarten werden also ein wichtiges Hilfsmittel für Planung und Management in der Forstwirtschaft und öffentlichen Sicherheit sein. Außerdem bieten sie der interessierten Öffentlichkeit eine frei zugängliche Informationsquelle über Österreichs Wälder. Sie heben dabei deren Funktion nicht nur für die Ökosysteme, sondern auch für uns Menschen hervor.

Zurück zur Natur: Nachhaltige Waldwirtschaft in Deutschland und Österreich

„Nachhaltige Waldwirtschaft” nennt man Wald-Management, das neben dem wirtschaftlichen Holzerwerb auch Wert legt auf Artenvielfalt, diverse Strukturen und ein gesundes Ökosystem. Die dadurch entstehenden natürlichen Prozesse, z.B. eine Verjüngung des Baumbestandes, werden für die Bewirtschaftung genutzt. Es gibt also möglicherweise nicht nur ökologische, sondern auch praktische oder sogar finanzielle Vorteile für Waldbesitzer. Vor allem geht es auch darum das Ökosystem Wald langfristig als stabile Ressource nutzbar, und resistent gegen Schädlinge und abiotische Gefahren zu machen.
Typische Ziele sind unter anderem:

  • Mischwälder aus dem Standort angepassenden Arten
  • Verschiedene Altersstrukturen
  • Keine Verwendung von Pestiziden, Herbiziden oder anderen Schadstoffen
  • Natürliche Verjüngung der Bäume
  • Erhaltung der Wildbestände (soweit verträglich)
  • Langfristige Nutzbarkeit der Ressource Wald.

Eine genaue Beschreibung und Erklärungen zu den verschiedenen Aspekten der nachhaltigen Waldwirtschaft ist hier zu finden. Außerdem gibt es einen Podcast über das Thema, sowie ein Interview mit Förster Gerald Blaich über die praktische Anwendung der naturnahen Waldwirtschaft.

Mehr Geld für grünes Wald-Management in Deutschland

In Deutschland hat nun das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft bekanntgegeben, über die nächsten 5 Jahre 900 Millionen Euro für nachhaltigeres Wald-Management bereitzustellen. Damit will man Insbesondere den Auswirkungen des Klimawandels entgegenwirken, und Wälder an die sich ändernden Klima-Bedingungen anpassen. WaldbesitzerInnen erhalten ab jetzt Förderungen für Management, das in Bezug auf Nachhaltigkeit über den gesetzlichen Mindeststandard hinausgeht. Wer seine Wälder „klimafit“ macht, profitiert also nicht nur langfristig von einem gesicherten Einkommen, sondern erhält auch auf kurze Sicht mehr Geld.

In einem weiteren Teil der neuen Förderung soll in Zukunft auch ein Anreiz gegeben werden, Wälder mit hohem ökologischem Wert weniger intensiv zu bewirtschaften. Allerdings werden diese Gelder erst in Zukunft freigegeben.

Im August besuchten zwei Parlamentarische Staatsekretärinnen einen Forstbetrieb im Brandenburg um die Auswirkungen naturnaher Praktiken mit eigenen Augen zu sehen. Dr. Manuela Rottmann kommentierte:

„Jeder Wald, den wir infolge der Klimakrise durch Dürre oder Waldbrand verlieren, ist ein Wald zu viel.“ (…)

Dr. Bettina Hoffmann bewertete die lokalen Maßnahmen als positiv:

„Das Ergebnis kann man direkt sehen. Der Wald ist grüner und feuchter, weil die unterschiedlich großen Bäume den Boden beschatten und Verdunstung vermeiden. So ist er gegen die Folgen der Klimakrise besser gewappnet. Naturverjüngung, alte höhlenreiche Bäume und Totholz bieten Lebensräume für Spechte, Fledermäuse und Insekten. Genau das brauchen wir für unsere Wirtschaftswälder!“

Wie ist die Situation in Österreich momentan?

Wie aber sieht es mit ökologischer Bewirtschaftung in Österreichs Wäldern aus? Diese bedecken immerhin fast 50% des Landes und geben 300.000 Menschen einen Lebensunterhalt. Auch hier gewinnt daher Nachhaltigkeit und Klima-angepasstes Waldwirtschaften immer mehr an Bedeutung. Das österreichische Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft hat daher 2020 das Maßnahmenpaket „Waldfonds“ ins Leben gerufen. Mit 350 Millionen Euro sollen 10 Aspekte der Forstwirtschaft zukunftssicher und nachhaltig gestaltet werden. Die 10 Maßnahmen sind

  1. Wiederaufforstung nach Schadereignissen
  2. Errichtung klimafitter Wälder
  3. Abgeltung von durch den Klimawandel verursachte Borkenkäferschäden
  4. Errichtung von Lagerstätten für Schadholz
  5. Mechanische Entrindung als Forstschutzmaßnahme
  6. Sicherstellung der Waldbrandprävention und -bekämpfung
  7. Forschungsanlage zur Herstellung von Holzgas und Biotreibstoffen
  8. Forschungsschwerpunkt „klimafitte Wälder“
  9. Holzinitiative
  10. Stärkung, Erhalt und Förderung der Biodiversität im Wald

Ein Blick in die Zukunft

Wälder sind essentiell für uns Menschen als Rohstoff- und Einnahmequelle, aber sie tragen auch bei zur Klimaregulation, sauberen Luft und sind wichtiger Teil ökologischer Netzwerke für Flora und Fauna. Aus diesen Gründen ist es ausgezeichnet zu sehen, wie sowohl Deutschland als auch Österreich versuchen den Wald auch für zukünftige Generationen gesund zu erhalten. Das dies auch funktioniert zeigt zum Beispiel die Zunahme diverser Baumarten in Österreichs Wäldern und die hohe Anzahl von Tierarten in naturnahen Wäldern. 

Wie Forstwirtschaft und Klimawandel zusammenspielen

Vlado Vancura ist Forstexperte mit über 40 Jahren Erfahrung in der Branche. Als er begann Forstwirtschaft zu studieren, ahnte er noch nicht, welche Rolle der Klimawandel einmal spielen würde.

In diesem Webinar spricht er über die Zusammenhänge von Forstwirtschaft und Klimawandel, er bespricht die enorme Relevanz von gut ausgebildeten Waldbewirtschafterinnen und -bewirtschaftern und zeigt, welche Möglichkeiten der Wald bietet, den Klimawandel abzuschwächen.

Forstwirtschaft und Wilderness – können sie koexistieren?

Vlado Vancura hat sein Forststudium an der Universität in Zvolen in der Slowakei abgeschlossen und danach sammelte er 38 Jahre lang Erfahrungen in der Forstwirtschaft und im Wildernessmanagment in vielen verschiedenen Ländern als Teil von zum Beispiel des Slovak Forestry Planning Office und des U.S Forest Service. Als wichtigster Forst- und Wildnisexperte der European Wilderness Society spielt er eine entscheidende Rolle bei der Ausweisung von Wildnisgebieten, um die Ziele der EU Biodiversitätstrategie 2030 in Europa zu erreichen.

In diesem Webinar geht Vlado auf die Geschichte der Forstwirtschaft und der Wilderness in Europa ein – ein Thema das eigentlich eng verwandt ist, denn der Wald und mit ihm große Teile von Wildnis bedeckten einst 75% von Europa und erstreckten sich über den gesamten europäischen Kontinent! Mit der Ausbreitung der menschlichen Bevölkerung hat sich das geändert. Nicht desto trotz bietet Wilderness viele Vorteile, vor allem im Blick auf den Klimawandel. Försterinnen und Förster können sich also was von den spontanen und natürlichen Prozessen in wildnisnahen Gebieten für ihre eigene Praktiken abschauen. Welche das sind finden Sie heraus indem Sie sich das Webinar anschauen:

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Eine Reflexion über vergangene und gegenwärtige forstwirtschaftliche Praktiken im Tatra-Gebirge – Teil 2

Eine augenöffnende Wanderreise

Um den Einfluss und das Ausmaß der menschlichen Waldausbeutung und die Auswirkungen des Weidedrucks vollständig zu verstehen, brauchte ich Erfahrungen aus der Praxis. Ich konzentrierte mich darauf, Gebiete zu erkunden, in denen die Auswirkungen der menschlichen Ausbeutung auch nach mehreren Jahrhunderten noch sichtbar sind, und gleichzeitig kleine Fragmente wilder Wälder zu besuchen, die irgendwie vom menschlichen Druck verschont geblieben sind. Diesen Kontrast zu sehen und zu studieren, verschaffte mir unschätzbare Erfahrungen und Kenntnisse. Es war wie eine Reihe von Reisen in historische Gebiete. Eine Ära, in der der Großteil des bewaldeten Landes keine Straßen hatte, keine Abholzung und keine Beweidung existierte. Selbst Jäger nutzten das Land nur selten. Lassen Sie mich eine Geschichte mit Ihnen teilen, um zu veranschaulichen, was ich meine: 

Ich war zu Fuß in einem abgelegenen Tal im nördlichen Teil der Slowakei unterwegs, in einer Region, in der die Karpaten die höchsten Gipfel erreichen. Ich war auf dem Weg ins Tatra-Gebirge. Um an diesen wilden Ort zu gelangen, war es eine anspruchsvolle Reise. Ich war auf dem Weg in die Wildnis, wo es fast keine Anzeichen menschlicher Aktivitäten gab. 

Der untere Teil des Vorgebirges, den ich durchwanderte, war von einem von Menschen angepflanzten, von Fichten dominierten Wald bedeckt. Hier waren die Auswirkungen der fortlaufenden Forstwirtschaft sehr sichtbar. Das flache Land mit einem Rest eines mäandrierenden Flusses (ein bedeutender Teil war bereits kanalisiert) erleichterte den Zugang für die Einheimischen schon vor mehreren Jahrhunderten. Dieses Land bot Holz, begrenztes Weideland und Wildbret. In jüngster Zeit wurde in diesem Gebiet ein Netz von unbefestigten Straßen entwickelt, Flüsse wurden modifiziert, Brücken wurden gebaut. In der Folge nahm die Ausbeutung in den letzten Jahrzehnten deutlich zu. Der kleine Canyon vor mir hielt Förster und Holzfäller vorübergehend auf. Weiter führte nur noch ein schmaler Pfad zu den Bergen am Horizont. Bis zur Mündung des Tals, das ich ansteuerte, waren es noch mehrere Kilometer. 

Im Tal angekommen, wanderte ich mehrere Stunden durch dichten Wald mit vielen riesigen stehenden und umgestürzten Bäumen, Sümpfen und einem Netz von kleinen Flüssen und Bächen. Das Gelände begann anzusteigen und das Vorankommen wurde sehr langsam. Der schmale Pfad war oft durch umgestürzte Bäume und eine wachsende Anzahl von Felsen blockiert. Dieser Teil des Pfades muss regelmäßig gesäubert und umgestürzte Bäume gefällt worden sein, um die Begehbarkeit des Pfades zu erhalten. Aber auch so verlangsamten Totholzhaufen mein Vorankommen und verursachten manchmal Umwege, um Totholzhaufen oder schlammige und nasse Stellen zu umgehen.

Schließlich erreichte ich die Stelle, an der ich beschloss, zu übernachten. Es war eine kleine Höhle, die auch bei Regen trockenen Schutz bot. Ein kleiner Bach in der Nähe bot Trinkwasser und eine kleine Schwemmlandwiese einen Ausblick auf die umliegende Landschaft. Hinter der Wiese fand ich mehrere Tage alten Bärenkot und seine Spuren am Stamm einer jungen Fichte. Offensichtlich hatte ich sein Reich betreten. 

Am nächsten Morgen erreichte ich nach mehrstündigem Wandern und Klettern an steilen Hängen die Baumgrenze und die Aussicht wurde mit jedem Schritt besser. Noch ein paar Kilometer weiter und der Weg verwandelte sich in einen grasbewachsenen Pass, der zwischen steilen Felskämmen eingezwängt war. Erst am Tag zuvor war ich in einem wilden Wald mit spektakulären Bäumen in der Umgebung gewesen, jetzt staunte ich über einen schmalen Pass hoch über der Baumgrenze.  Das Panorama jenseits des Passes war schockierend. Es bot zwei Perspektiven der Natur und des Lebens: Hinter mir lag das Tal, das ich bereits erwandert hatte, wie ein Fenster zur wilden Vergangenheit und vor mir ein Fenster zur Gegenwart.

Ein Fenster zu einer wilden Vergangenheit

Es war schockierend, den Unterschied in der Zusammensetzung und Struktur der Baumgrenze zu sehen. Das Tal hinter mir bot ein hervorragendes Beispiel für eine fast natürliche, unbeschädigte und sehr dynamische Baumgrenze. Die Komplexität eines mehrjährigen Waldes im Tal hinter mir, der wie große grüne Wellen die steilen Berghänge hinaufkletterte, war enorm. Öffnungen waren nur an Stellen zu sehen, an denen Bruchstücke steiniger Moränen das Wachstum von Bäumen begrenzten, oder an kleinen Senken, die von Feuchtgebieten mit Gras und Moos bedeckt waren. 

Mit zunehmender Höhe verlor der Wald allmählich an Dichte und Höhe und wurde durch eine dichte Decke aus Latschenkiefern ersetzt. Diese niederliegende Kiefer bildete eine dichte, undurchdringliche Deckung. Nur einige hundert Meter weiter oben wurde dieser Latschenkiefernbestand immer mehr zersplittert und ging allmählich in Almwiesen über. Ich hatte Glück, denn es war Spätfrühling und so war diese Struktur und Vielfalt der Baumgrenzen-Ökosysteme gut sichtbar. Der Schnee war fast vollständig geschmolzen und die Almwiesen blühten in vielen Formen und Farben.

Im Gegensatz dazu: ein schockierendes Fenster zur Gegenwart

Auf der gegenüberliegenden Seite bot das Tal, das sich von meinen Füßen bis zum Horizont erstreckte, ein ganz anderes Panorama und eine ganz andere Geschichte. Die Waldhänge waren von einem Netz von Forststraßen durchzogen, die den Forstmaschinen und großen Lastwagen den Zugang bis zum Ende des Tals ermöglichten. An einigen Stellen durchbrachen die Straßen die Baumgrenze und setzten sich hoch oben auf den grasbewachsenen Hängen fort. Erosion und Erdrutsche wiesen auf Stellen hin, an denen unsachgemäße Straßenbautechniken schwere Schäden verursachten. Außerdem bildeten die von schweren Maschinen, die Holz für kommerzielle Zwecke abtransportierten, verursachten Straßen vertikale Verbindungen zwischen parallelen Straßen.

Außerdem konnte ich einen deutlichen Unterschied in der Struktur und Zusammensetzung der Baumreihe im Tal hinter und vor mir erkennen. Der erste Unterschied, der mir im Tal vor mir auffiel, war, dass die Baumgrenze mehrere hundert Meter niedriger war als im Tal, das ich gerade passierte. Ich wusste bereits, dass dies durch den Menschen in den vergangenen vier bis fünf Jahrhunderten als Folge der sogenannten traditionellen Nutzung der Bergwälder verursacht wurde. Diese traditionelle Nutzung bestand in der Abholzung der Baumgrenze, die wertvolles Holz produzierte und gleichzeitig Sommerweiden für die wachsende Zahl von Rindern und Pferden schuf. Mir fiel auch auf, dass die Baumgrenze sehr fragmentiert war. Was mich noch mehr überraschte, waren die fast vollständig fehlenden Bestände der Latschenkiefer. Diese Baumart ist in dieser Höhenlage von entscheidender Bedeutung, um Bodenerosion zu verhindern, den Wasserhaushalt auszugleichen und die Zahl der Lawinen im Winter deutlich zu reduzieren.

Können wir aus den Fehlern der Vergangenheit lernen?

Meine Erfahrungen während dieser Reise veranschaulichten die Geschichte nicht nur des Tatra-Gebirges. Sie war wie ein Symbol für die Ausbeutung der Wälder in ganz Europa, besonders in den Gebirgswäldern. Der Wald jenseits des Passes hat nicht nur in den letzten Jahrzehnten, sondern schon seit Jahrhunderten dramatisch gelitten. Ziemlich genau seit der Entwicklung der landwirtschaftlichen Praktiken und der dauerhaften Besiedlung durch den Menschen in Europa. Ich würde sagen, dass die aktuelle Herausforderung darin besteht, dass die Menschen die Tendenz haben, die Geschichte einfach zu vergessen oder zu ignorieren. Aber wir müssen verstehen und uns immer wieder daran erinnern, dass der menschliche Einfluss auf die Wälder seit früheren Jahrtausenden sehr drastisch war. Wir müssen die Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Die Folgen der Ignoranz der Vergangenheit wirken sich auf unsere Zukunft aus. Diese Fallstudie im Tatra-Gebirge zeigte den Kontrast zwischen unbewirtschaftetem und intensiv bewirtschaftetem Wald in der Vergangenheit und Gegenwart und bot eine klarere Vision dessen, was durch die Wiederherstellung von Wäldern und die Annahme eines nachhaltigen, natürlichen Ansatzes möglich ist, von dem sowohl Menschen als auch der Wald langfristig profitieren.

Dieser Artikel wurde von Vlado Vancura, Forstwirtschaft und Wilderness Experte, auf Englisch verfasst und vom Projekt Team ins Deutsche übersetzt.

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Eine Reflexion über vergangene und gegenwärtige forstwirtschaftliche Praktiken im Tatra-Gebirge – Teil 1

Wälder sind essentiell für viele Ökosystemleistungen und Lebensraum für viele Arten. Außerdem absorbieren sie große Mengen an vom Menschen verursachten Kohlenstoffemissionen und sind daher besonders wichtig für die Mitigation des Klimawandels. Trotz der Bedeutung der Wälder nimmt der Abholzungsdruck in Europa kontinuierlich zu. Alarmierende Meldungen, dass die europäischen Wälder unter extremem Druck stehen, kommen aus verschiedensten Ecken Europas. Fast täglich bekommt man Berichte zu hören, dass irgendwo in Europa Wälder absterben oder abgeholzt werden. Der erste Auslöser, der dazu führt, ist meist ein großflächiger Windstoß, ein Feuer oder ausgiebiger Schneefall, der scheinbar gesunde Wälder gefährdet. Glücklicherweise verstehen aber immer mehr Menschen, dass die Wälder Europas unter extremem Druck stehen.

Die Wahrheit ist jedoch, dass die Wälder bereits seit mindestens vier bis fünf Jahrhunderten unter dem Einfluss des Menschen leiden. In einigen Teilen Europas, wie zum Beispiel im Mittelmeerraum, besteht dieser Druck sogar noch länger. Der Grund, warum der Mensch die Wälder systematisch an den Rand des Aussterbens treibt, liegt nicht nur darin, dass sie eine wertvolle Ressource, nämlich Holz, liefern, sondern ist auch seit jehermit der Geschichte des Menschen verbunden.

Eine persönliche Geschichte

Als ich jung war, betrachtete ich den Wald rund um meine Stadt als ein Stück wildes Land. Das änderte sich dramatisch, nachdem mein Urgroßvater, ein Förster, mir eine Geschichte erzählte. Er sagte mir, dass der Wald rund um meine Stadt früher viel wilder war und dass seit der Besiedlung der Gegend durch den Menschen Urwälder abgeholzt wurden, so dass nur in abgelegenen Ecken kleine Fragmente überlebt haben. Später lernte ich die wirkliche Bedeutung dieser Geschichten. Ich erfuhr am eigenen Leib, dass die Wälder rund um meine Stadt, in der Region, in der ganzen Slowakei und sogar in den Karpaten in den letzten Jahrhunderten stark ausgebeutet und beschädigt wurden.

Die Gründe dafür scheinen einfach zu sein: Holz dient dazu Häuser zu bauen und sie zu mit Holzkohle zu heizen, und die dadurch entstanden Flächen können genutzt werden um Gemüse anzubauen, Weiden für Nutztiere bereitzustellen, oder Mineralien abzubauen.

Fallstudie: grasen von Nutztieren in Wäldern hat negative Folgen

Weidetiere sind seit den Anfängen europäischer Siedlungen in den Bergen ein wesentlicher Bestandteil ihres Lebensunterhalts. Rinder, Pferde, Schafe und Ziegen streiften früher auf der Suche nach Nahrung frei umher, auch im Wald. 

Für Weidetiere sind Wälder eine reiche Nahrungsquelle. Interessanterweise erhöht sich das Nahrungsangebot in Wäldern durch bestimmte Waldbewirtschaftungsmethoden wie Durchforstung, Entfernung von Totholz und Holzernte erheblich. Durch das Entfernen von Bäumen und damit des Kronendachs kann mehr Licht den Waldboden erreichen. Diese neuen Bedingungen schaffen eine günstige Umgebung für Unterholzpflanzen wie Blumen und Sträucher, die eine gute Nahrungsquellen für Weidetiere darstellen. Nach langjähriger Forschung weiß man heute jedoch, dass die Beweidung im Wald negative Auswirkungen auf das Ökosystem hat.

Beweidung im Tatra-Nationalpark

Um die Auswirkungen der Beweidung auf die Wälder zu veranschaulichen, können wir einen Blick auf eine sehr interessante Fallstudie im Tatra-Nationalpark in der Slowakei werfen. Die Berge, die seit dem Zweiten Weltkrieg als Nationalpark geschützt sind, wurden über Jahrhunderte intensiv beweidet. Die ersten dokumentierten Anzeichen von Beweidung in diesem Gebiet stammen aus dem 16. Jahrhundert, aber erst im 18. Jahrhundert nahm der Druck auf den Wald enorm zu. 

Mit der Gründung mehrerer verstreuter Siedlungen rund um die Berge wurden auch Nutztierherden eingeführt und zunächst wahllos, später dann systematisch um die Dörfer herum getrieben. Aber allmählich, als der Waldum die Dörfer immer fragmentierter, abgeholzt und schließlich verbrannt wurde, beanspruchten die Herden zunehmend die Ausläufer und später die Hänge des zentralen Teils der Tatra berge. Schließlich streiften die Weidetiere frei in den Wäldern umher, die bereits durch Abholzung und Bergbau stark beeinträchtigt waren.

Der zweite Eingriff durch Beweidung in diesem Gebiet wurde von oben nach unten ausgeführt: von den Almwiesen bis hinunter zur Baumgrenze und tief in den Bergwald hinein. Vallachische Hirten besetzten mit ihren Herden Sommer für Sommer die alpine Zone und weideten zunächst die natürlichen Almwiesen oberhalb der Baumgrenze und später auch die vom Menschen geschaffenen Weiden intensiv ab. Darüber hinaus war es eine gängige Praxis die Baumgrenze aus Latschenkiefer und Fichten zu verbrennen und tausende Bäume zu fällen um ihre saisonalen Siedlungen, die entlang der Baumgrenze und in der Nähe der Wasserquelle lagen, zu bauen. 

Diese jahrhundertelangen Aktivitäten schädigten die Baumgrenze dramatisch. Im Durchschnitt sank die Baumgrenze um 150-200 m, an manchen Stellen sogar bis zu 300 m. Infolgedessen verschwanden die Zwergkiefern mit Fichtenwald in einigen Teilen vollständig, was zu einer Störung des Wasserhaushalts führte. Ohne Bäume, die den Boden schützen, erodierte das abfließende Wasser stark und beschädigte die Hänge, vor allem die steilen, und transportierte Tonnen von Erde und Steinen ins Tal. Eine weitere Folge der Waldrodung war die Bildung von Schneelawinen und die Zunahme von Überschwemmungen, die zu einer ernsthaften Bedrohung für die Täler wurden, in denen sich viele Siedlungen befanden. Die Menschen in der Region lernten und lernen auch heute noch schmerzhafte Lektionen über die Auswirkungen der unkontrollierten Beweidung. Obwohl 70 Jahre vergangen sind, seit die meisten Beweidungsaktivitäten im Tatra-Gebirge eingestellt wurden, sind die Folgen bis heute sichtbar.

Die Gründung des Tatra-Nationalparks

“Weidehaltung von Haustieren gehört nicht in den Wald”, war die grundlegende Forderung bei der Gründung des Tatra-Nationalparks. Ein engagiertes Team von Naturschützern (ein bedeutender Teil davon Förster) hat von Anfang an strikt darauf gepocht. In diesem Zusammenhang wurde das Landeigentum zu einer wesentlichen Angelegenheit der Parkvorbereitung. Auf beiden Seiten (Slowakei und Polen) des Tatragebirges wurde ein umfangreicher und geldintensiver Prozess zur Beseitigung der jahrhundertelangen häuslichen Beweidung eingeleitet.

Während einiger Jahrzehnte (zwischen den Weltkriegen) wurden Tausende und Abertausende von Hektar von den Regierungen aufgekauft und in die Verantwortung der staatlichen Forstwirtschaft übergeben. Obwohl der Zweite Weltkrieg diesen Prozess erheblich unterbrochen hat, hat die folgende kommunistische Revolution auf beiden Seiten der Grenze eine Dynamik geschaffen, als der grenzüberschreitende Park allmählich geschaffen wurde.

Nach der Verstaatlichung des Landes (1947) war der Landbesitz kein so heißes Thema mehr. Dennoch erhielten die Landbesitzer (lokale Gemeinden und Einzelpersonen) eine Entschädigung oder die Möglichkeit, das Land außerhalb der Parkgrenzen zu beweiden. Später setzte sich die Landverstaatlichung durch und die Entschädigung wurde eingestellt.

Es ist wichtig zu verstehen, dass die Landverstaatlichung ein grundlegender erster Schritt war, der zur Schaffung von Nationalparks ohne künstliche Beweidung führte. In den folgenden Jahrzehnten wurde ein umfangreiches, in den gesamten Karpaten einzigartiges Waldbewirtschaftungsprojekt entwickelt und umgesetzt, um einen Wiederherstellungsprozess des Waldes durchzuführen. Besonderes Augenmerk wurde auf die Wiederherstellung der stark geschädigten Baumgrenze gelegt, wo jährlich Hunderte von Hektar wiederhergestellt wurden. Die Flächen wurden mit den einheimischen Baumarten wie Latschenkiefer, Zirbelkiefer, Fichte, aber auch mit Weide und Erle aufgeforstet, was die Erholung der Baumgrenze deutlich beschleunigte.

Allmählich begannen sich die in den vergangenen Jahrhunderten intensiv beweideten Flächen zu regenerieren und der Wald erlangte einen Teil seiner natürlichen Struktur zurück. Dank dieses Projekts wurde der Park zu einem Lernraum im Freien, nicht nur für Förster, sondern auch für die breite Öffentlichkeit, darunter auch Ausländer. Die Gebiete, die im vorigen Jahrhundert nicht unter der Weidenutzung litten, weil sie entweder zu abgelegen waren oder in steilen Hängen lagen, sind nun Gegenstand intensiver Forschung und Überwachung. Auch heute noch bieten diese Gebiete hervorragende Anschauungsmöglichkeiten, da sie zeigen, wie der Wald ohne äußere Einflüsse aussehen würde. So sind sie zu einem grundlegenden Element der Wiederherstellung von Bergwäldern in der gesamten Slowakei und den Karpaten geworden.

Dieser Artikel wurde von Vlado Vancura, Forstwirtschaft und Wilderness Experte, auf Englisch verfasst und vom Projekt Team ins Deutsche übersetzt.

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