Kreuzkröte (Epidalea calamita)

Amphibien auf der Spur
Amphibien auf der Spur
Kreuzkröte (Epidalea calamita)
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Aussehen

Rufendes Kreuzkröten-Männchen mit gut sichtbarer Schallblase und den typischen waagerechten Pupillen.
Die Kreuzkröte ist eine mittelgroße Krötenart mit charakteristischer Zeichnung. Auffällig ist der namensgebende helle Längsstreif entlang der Wirbelsäule („Kreuz“), während die restliche Oberseite variabel warzig und braun, grau oder olivgrün mit dunkler Fleckenmusterung gefärbt ist. Hinter den Augen sitzen paarige, oft rötlich getönte Drüsenwarzen (Parotiden). Die Bauchseite ist weißlich bis graublau und ungefleckt. Die Iris der Augen leuchtet zitronengelb bis grünlich, mit waagrecht-ovalen Pupillen. Kreuzkröten bleiben kleiner als Erdkröten oder Wechselkröten: Weibchen erreichen etwa 5–8 cm, Männchen 4–7 cm Körperlänge. Ein besonderes Merkmal ist ihre Fortbewegung – aufgrund der kurzen Hinterbeine laufen Kreuzkröten flink über den Boden anstatt zu hüpfen, was an eine Maus erinnert. Zur Paarungszeit verfügen die Männchen über eine große, kehlständige Schallblase; ihr durchdringender, knarrender Ruf („ärr-ärr-ärr“) zählt zu den lautesten aller heimischen Amphibien und ist unter günstigen Bedingungen bis zu zwei Kilometer weit zu hören.

Verbreitung in Österreich

Verbreitung der Kreuzkröte in Österreich (Datenstand 1996, © Umweltbundesamt – Verbreitungsatlas). Schwarz markiert sind die Nachweise im Waldviertel (NÖ) und im Lechtal (Tirol).
In Österreich existieren lediglich zwei isolierte Vorkommen der Kreuzkröte, beide in peripheren Grenzregionen. Eines befindet sich im nördlichen Waldviertel (Niederösterreich) bei Gmünd, nahe der Grenze zu Tschechien. Das zweite liegt im äussersten Nordwesten Tirols im unteren Lechtal (Bezirk Reutte), an der Grenze zu Bayern. Diese beiden Areale markieren den südöstlichen Rand des europaweiten Verbreitungsgebiets – außerhalb Österreichs ist die Art in Teilen West- und Mitteleuropas verbreitet, doch streift ihr Areal Österreich nur ganz am Nordrand. Im angrenzenden Bayern ist die Kreuzkröte am Lech mittlerweile aufgrund intensiver Flussverbauung verschwunden. In weiten Teilen ihres mitteleuropäischen Areals ist sie ebenfalls rückläufig oder lokal ausgestorben, sodass Österreich heute nur noch von kleinen Reliktpopulationen der ansonsten westlich verbreiteten Art besiedelt wird.

Screenshot

Bevorzugte Habitate

Kreuzkröten sind Spezialisten für temporär dynamische, vegetationsarme Lebensräume mit einem hohen Anteil offener Bodenflächen (Rohböden). Sie benötigen einerseits lockere, grabfähige Sand- oder Kiesböden als Tagesversteck und Landlebensraum, und andererseits sehr flache, sonnenerwärmte Kleingewässer als Laichplätze. Ideale Fortpflanzungsgewässer sind seichte, nur wenige Zentimeter tiefe Tümpel, Pfützen oder Überschwemmungsflächen mit spärlicher oder fehlender Vegetation, die periodisch auch austrocknen können. Ursprünglich fand die Kreuzkröte solche Bedingungen vor allem in natürlichen Überschwemmungsgebieten von Fluss- und Bachauen. Durch die Zerstörung und Regulierung vieler Flussauen fehlen heute jedoch großteils diese Primärhabitate, und die Art ist in Österreich fast nur noch in vom Menschen geschaffenen Sekundärlebensräumen anzutreffen. Im Waldviertel liegt ihr gesamtes Vorkommen in aktiven oder rekultivierten Sand- und Kiesgruben der Umgebung von Gmünd. Im Tiroler Lechtal nutzt sie neben Resten offener Auwaldzonen entlang des noch unverbauten Lech ebenfalls sekundäre Habitate wie angrenzende Schottergruben und Steinbrüche. Wichtig ist in allen Fällen das Vorhandensein seichter Kleingewässer in frühen Sukzessionsstadien – größere, tiefere oder stark bewachsene Gewässer werden von der Kreuzkröte gemieden.

Nahrung

Die Larven der Kreuzkröte (Kaulquappen) ernähren sich vorwiegend vegetarisch, indem sie Algenbeläge von Steinen, Pflanzen und Bodengrund abweiden. Die erwachsenen Tiere hingegen sind kleine Raubtiere und fressen ein breites Spektrum wirbelloser Beute: vor allem Insekten, Spinnen, Asseln, Würmer und Schnecken stehen auf dem Speiseplan. Besonders häufig werden Ameisen verzehrt, welche einen wichtigen Anteil im Nahrungsspektrum ausmachen. Jungkröten erbeuten zudem sehr kleine Gliederfüßer wie Springschwänze und Milben. In ihren Aktivitätsphasen nach Einbruch der Dämmerung gehen Kreuzkröten auf die Jagd und können dabei dank ihres vergleichsweise großen Wasservorrats im Körper längere Zeit vom Gewässer entfernt bleiben.

Gefährdung und historische Bestandsentwicklung

In Österreich gilt die Kreuzkröte als vom Aussterben bedroht (Rote Liste Kategorie CR). Sie ist hierzulande die seltenste Amphibienart und wurde 2007 als einzige heimische Lurchart in die höchste Gefährdungskategorie eingestuft. Der Bestand hat sich in den letzten Jahrzehnten drastisch verringert. Bis in die 1980er-Jahre war lediglich im Waldviertel ein autochthones Vorkommen der Kreuzkröte bekannt. In den 1990er-Jahren stand die Art kurz vor dem Aussterben in Österreich – nur durch ein Modell-Schutzprojekt im Waldviertel konnte sie damals überhaupt erhalten werden. Erst 1996 gelang im Tiroler Lechtal der erste Lebendnachweis einiger weniger Tiere, nachdem dort zuvor nur ein Totfund aufgetaucht war. Seither sind nur diese zwei kleinen Restpopulationen bekannt, die isoliert und ohne genetischen Austausch zueinander existieren. Die geringen Individuenzahlen bedeuten ein hohes Risiko, dass bereits ungünstige Umwelteinflüsse (wie ein trockenes Jahr) zum Aussterben einer ganzen lokalen Population führen können. Hauptursache der Gefährdung ist der Verlust an geeigneten Lebensräumen: Durch Flussbegradigungen, Melioration und andere Nutzungen sind die einstigen Überschwemmungs- und Rohbodenareale beinahe verschwunden. Ohne menschliche Ersatzhabitate würde die Kreuzkröte heute kaum noch geeignete Fortpflanzungsplätze finden, was ihr Aussterberisiko stark erhöht.

Aktuelle Bestandssituation

Derzeit dürften in ganz Österreich nur wenige hundert Kreuzkröten vorkommen. Das weitaus bedeutendere Vorkommen befindet sich in Niederösterreich: Im Raum Gmünd (Waldviertel) wird der Bestand auf rund 500–600 erwachsene Tiere geschätzt. Diese Population verteilt sich auf wenige nahe beieinander liegende Fundstellen (Sandgruben) und gilt als zumindest kurzfristig stabil. Durch den fortlaufenden Abbau in den Gruben entstehen dort immer wieder neue Kleingewässer und offene Bodenstellen, was fortwährend Laichhabitate schafft. Zusätzlich wurden im Zuge von Naturschutzauflagen Ersatzgewässer und Ausgleichsflächen angelegt, sodass das Waldviertler Vorkommen derzeit als gesichert betrachtet wird. Anders stellt sich die Situation in Tirol dar: Im gesamten Lechtal konnten zuletzt lediglich etwa 20 Kreuzkröten-Exemplare nachgewiesen werden. Dieser kleine Teilbestand ist trotz intensiver Schutzbemühungen weiterhin vom Erlöschen bedroht. Die durchgeführten Maßnahmen (siehe unten) haben bisher noch nicht zu einer klaren Bestandszunahme geführt, und die Kreuzkröte bleibt im Lechtal eine extreme zoologische Rarität. Insgesamt dürfte der Gesamtbestand in Österreich kaum mehr als 600 erwachsene Individuen umfassen. Die Art bleibt damit hierzulande extrem selten und ihr Fortbestand konzentriert sich auf zwei winzige, weit voneinander getrennte Gebiete.

Maßnahmen zur Wiederansiedlung oder Bestandsstützung

Zum Schutz der Kreuzkröte wurden in den letzten Jahrzehnten verschiedene Maßnahmen ergriffen. Im Waldviertel konnte die Art durch eine Kooperation zwischen Naturschützern und der lokalen Kiesindustrie vor dem Aussterben bewahrt werden. In den Gmünder Sandgruben – die die letzten Vorkommen beherbergen – wurden gezielt Laichgewässer gesichert und neue Kleintümpel angelegt, sodass sich die Population dort stabilisieren konnte. Dieses Modellprojekt galt als erster wichtiger Schritt, um der Kreuzkröte Überlebensräume zu erhalten. Im Tiroler Lechtal laufen seit den 2010er-Jahren Artenschutzprogramme, um den kleinen Restbestand zu stützen. Unter anderem wird die Kreuzkröte im Alpenzoo Innsbruck erfolgreich nachgezüchtet, um Jungtiere auszuwildern und so die natürliche Population zu stärken. Bislang bleibt die Situation jedoch kritisch (nur ~20 Tiere trotz Nachzuchten). Ein LIFE-Projekt widmete sich zudem der Lebensraumverbesserung am Tiroler Lech (siehe nächster Abschnitt). Die Kreuzkröte ist auf europäischer Ebene und in den Ländern rechtlich streng geschützt (Anhang IV der FFH-Richtlinie, national und landesweit „streng geschützt“). Eine aktive Wiederansiedlung an neuen Standorten wurde in Österreich bislang nicht durchgeführt – stattdessen konzentrieren sich alle Anstrengungen darauf, die zwei verbliebenen Vorkommen durch Habitatmanagement und Begleitmaßnahmen zu erhalten.

Habitatmanagement und zu erwartende Wirkung dieser Maßnahmen

Da Kreuzkröten auf Pionierhabitate angewiesen sind, kommt dem Habitatmanagement eine entscheidende Bedeutung zu. In den vom Menschen geschaffenen Ersatzlebensräumen (Kies- und Sandgruben, Steinbrüche etc.) muss nach Ende der Nutzung ein regelmäßiges Offenhalten der Flächen und Gewässer erfolgen. Andernfalls drohen die temporären Kleintümpel zuzuwachsen und die offenen Bodenstellen zu verbuschen, womit die Fortpflanzungs- und Landlebensräume der Art unbrauchbar würden. Durch Pflegemaßnahmen wie das periodische Entfernen von Aufwuchs, die Entlandung von Tümpeln oder das Schaffen neuer Rohbodenstellen kann der geeignete Pionierzustand hingegen erhalten bleiben. Im Waldviertel wird dies bislang vom fortlaufenden Abbau der Gruben gewährleistet; ergänzend wurden hier im Rahmen von Ausgleichsprojekten weitere flache Kleingewässer angelegt, um zusätzliche Laichplätze zu bieten. Im Lechtal setzte man großflächige Renaturierungs- und Dynamisierungsmaßnahmen, um den natürlichen Lebensraum wiederherzustellen. So wurden bei Oberpinswang lokale Uferverbauungen entfernt, der Fluss Lech stellenweise abgeflacht und angrenzende Auwald-Parzellen (ca. 2,3 ha) gerodet, um neue Überschwemmungsmulden und offene, sandige Stellen zu schaffen. Diese Eingriffe sollen die Entstehung von periodischen Kleinstgewässern und Rohböden fördern – genau jene Strukturen, die die Kreuzkröte für eine erfolgreiche Fortpflanzung benötigt. Langfristig erhofft man sich dadurch eine Stabilisierung bzw. Vergrößerung des Bestands im Lechtal. Darüber hinaus profitieren von solchen Habitatmaßnahmen auch weitere bedrohte Bewohner dynamischer Flusssysteme (wie z.B. die Deutsche Tamariske und andere Auen-Pionierarten), was den ökologischen Wert dieser Naturschutzmaßnahmen unterstreicht.