Neobiota als Chance und Risiko

Neobiota, also Arten, die vom Menschen bei uns eingeführt wurden, werden in Europa oft kritisch betrachtet. Die Meinungen über sie sind gespalten. Die einen sehen in ihnen viele Vorteile, die anderen bezeichnen sie als Pest. Allerdings sind viele für uns heute unverzichtbare Kulturpflanzen Neobiota – so wie die Kartoffel oder der Mais. Doch wie kam es überhaupt zu der Einführung von so vielen Arten und wie viele etablieren sich letztlich?

Um diese Frage zu klären, ist es nötig ein ganzes Stück in der Zeit zurück zu gehen. Einige der so genannten Neobiota – was so viel bedeutet wie „neue Lebewesen“ – waren einst in unseren Breiten heimisch. Das war jedoch bevor die Eiszeit für den Rückzug der Arten in südliche Richtung sorgte. Begleitet durch ständig wechselnde Klimata konnten sich ein Teil dieser Arten nicht mehr natürlich in Europa ausbreiten. Seit der Jungsteinzeit hat der Mensch jedoch nachgeholfen und bis heute kehren Arten führen Menschen Arten ein, die vor Tausenden oder sogar Millionen von Jahren schon einmal heimisch waren. Die Menschen begannen Kulturpflanzen auf zuvor gerodeten Waldflächen anzubauen. Der Großteil der Neobiota stammt jedoch von anderen Kontinenten wie Amerika, Afrika oder Australien. Diese Arten waren hier nie heimisch und kommen mit dem Menschen zum ersten Mal an. So schuf der Mensch komplett neue Lebensräume und die gänzlich neue Artenvielfalt der Kulturlandschaften.

Eine Entdeckung mit beispiellosen Folgen

Als der Entdecker Christoph Kolumbus im Jahre 1492 von seinem Schiff Festland entdeckte, war er fest davon überzeugt, dass Indien vor ihm liegt. Durch die Entdeckung Amerikas wurde die bis dahin unüberwindbare biogeografische Barriere überwunden und es kam zu einem beispiellosen Austausch innerhalb von Flora und Fauna. Besonders viele Zierpflanzen schafften es in europäische Gärten, aber auch Nutzpflanzen wie Mais und Kartoffel, die mittlerweile Grundlagen unsere Ernährung bilden, gelangten so nach Europa.

Da dies ein so bedeutender Einschnitt war, wird heute zwischen Archäophyten (Einführung vor 1492) und Neophyten (Einführung nach 1492) differenziert

Mit den Menschen reisen auch andere Arten um die Welt

Von da an erfolgte die Ausbreitung der Neobiota aber keinesfalls gleichmäßig. Es waren besondere Meilensteine in der Geschichte, die nicht nur die Menschen in ihrer Entwicklung voranbrachten, sondern auch neue Arten in ihrer Ausbreitung enorm begünstigten. Insbesondere durch den Handel und Verkehr, sowie durch die neu gebildeten urban-industriellen Verdichtungsräume im 19. Jahrhundert erlangte ihre Verbreitung einen Aufschwung. Heute wird die Globalisierung nicht nur mit wirtschaftlichen Neuordnungen in Zusammenhang gebracht, sondern auch die sich verändernde Flora und Fauna ist eng mit ihr verknüpft. Der Austausch von Pflanzen und Tierarten zwischen Kontinenten erfolgt durchaus gewollt, jedoch auch ungewollt. Dieser ungewollte Austausch macht aus den eingeschleppten Arten einen zweischichtigen Gefährdungsfaktor. Die biologische Vielfalt wird ernsthaft gefährdet und eingeführte Arten verursachen Folgekosten in mehrstelliger Milliardenhöhe.

Um die Artenvielfalt weiter zu schützen, wurde ein Übereinkommen geschaffen. Dieses wurde 1992 auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro beschlossen. Ziel des „Übereinkommens über die biologische Vielfalt“ (CBD) ist ein möglichst großflächiges Eingreifen zum Schutz der Biodiversität, da einzelne Aktionen oft wenig wirksam sind. 192 souveräne Staaten unterzeichneten den völkerrechtlichen Vertrag mit den drei Kernzielen:

  • 1. Erhaltung der biologischen Vielfalt
  • 2. Nachhaltige Nutzung ihrer Bestandteile
  • 3. Gerechter Vorteilsausgleich der Nutzung genetischer Ressourcen [3].

Zitat: „Ziel ist es die Vielfalt des Lebens auf der Erde zu schützen, zu erhalten und deren nachhaltige Nutzung möglichst so zu organisieren, dass möglichst viele Menschen heute und auch in Zukunft davon leben können.“

Von der Einführung der Neobiota zur Etablierung

Die starke Ausbreitung neuer Arten, der heute verzeichnet wird, lässt sich unter anderem mit der Zeit zwischen Einschleppung, Ausbreitung und Etablierung erklären. Diese Dauer ist abhängig von der Lebensform der Arten. So dauert es zum Beispiel bei Sträuchern im Schnitt 131 Jahre, bis diese nach Einführung anfangen sich spontan auszubreiten, und bei Bäumen bis zu 170 Jahre. Es liegt also nahe, dass die im 19. Jahrhundert eingeführten Arten nun bereit sind für die Ausbreitung.

Der Biologe Mark Williamson entwickelte die sogenannte „Tens Rule“. Sie besagt, dass sich von 1 000 eingeführten Arten etwa 10 % ausbreiten, von diesen 100 Arten gelingt es wiederum 10 % sich zu etablieren und von den übrig gebliebenen 10 Arten haben 10 % ein invasives Potenzial. Invasiv bedeutet, dass eine eingeführte Art sich so stark ausbreitet, dass sie heimische Arten gefährdet. Die Regel dient jedoch lediglich, um ein Gespür dafür zu bekommen, da Mark Williamson seine „Invasivität-Prognose“ für die britische Flora durchführte und diese somit auf eine Insel zutrifft.

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