Im ersten Artikel dieses Journals sind Neobiota im historischen Kontext beleuchtet worden. Wie aber sieht die heutige Situation in Zentraleuropa aus? Und was lässt sie erfolgreich werden?
Als invasiv werden Arten bezeichnet, die gebietsfremd sind und gegenüber einheimischen Arten, Biotopen oder Lebensgemeinschaften unerwünschte Auswirkungen haben. Sie verdrängen und konkurrieren zum Beispiel in einem Gebiet mit der dort vorkommenden Art, können aber auch als invasiv bezeichnet werden, wenn sie ökonomische oder gesundheitliche Probleme verursachen.
In Europa hat sich die Zahl der Neobiota seit dem letzten Jahrhundert verfünffacht. Schätzungsweise lässt sich hierbei sagen, dass es zwischen 12.000 und 14.000 Neobiota in Europa gibt. Die Tendenz ist steigend. Laut Forschungen der EU sind von der Gesamtanzahl der Neobiota etwa 7.000 Arten Neophyten, also eingeführte Pflanzenarten.
Zurzeit sind in Österreich etwa 2.000 Neobiota bekannt, von denen 1.300 Neophyten sind. Davon sind aber gerade einmal ein Viertel in der Lage, sich selbstständig fortzupflanzen. Die restlichen drei Viertel kommen hier nur vor, weil sie regelmäßig vermehrt werden. Außerdem sind von den über tausend Neophyten nur 14 bzw. 49 Arten – je nach Definition – als invasiv einzustufen.
Gefahren mindern
Damit Gefahren, die neue Arten mit sich führen können und um deren Einschleppung zu mindern, gilt es zahlreiche Regelungen und Gesetze zu beachten. Sie sind zum Beispiel in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, der Berner Konvention sowie dem Washingtoner Artenschutzabkommen aufgeführt.
Auf EU-Ebene treten verschiedene Verordnungen in Kraft. Die Verordnung über die „Prävention und das Management der Einführung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten“ ist ein Beispiel dafür, welche zusätzlich durch die Quarantänebestimmungen vervollständigt und unterstützt wird. Dadurch sollen die Ein- bzw. Verschleppung von Neobiota gemindert werden, um potenzielle Gefahren durch invasive Arten zu mindern.
Klimawandel und Globalisierung führen zu schnellerer Ausbreitung
Die Ursachen der Einführung von nicht heimischen Arten können vielfältig sein. Zum Beispiel kommt es durch die Globalisierung mit ständigem Warenaustausch zu einer unbeabsichtigten Verschleppung von Tieren, Pflanzen, Pilzen und Krankheiten. So sind wir Menschen dafür verantwortlich und tragen durch die vielen Reisen zum Austausch der Arten bei. Weiterhin wird die Ausbreitung der Arten durch den Klimawandel begünstigt. Durch Temperaturveränderungen können sich wärmeliebende Arten in anderen Habitaten besser etablieren und die heimischen Arten verdrängen. Zudem entstehen durch den Klimawandel immer neue Nischen, in denen sich besser angepasste Neobiota etablieren können. Auch das Ausbreitungspotenzial potenziell invasiver Arten wandelt sich durch das Klima und fördert so ihre Ausbreitung.
Häufig ist in intakten Ökosystemen das Ausbreitungspotential invasiver Arten beschränkt. Fremde Arten können sich dort schlechter etablieren, da die ökologischen Nischen bereits weitestgehend besetzt sind. Ob neu eingeführte Arten per se unsere Ökosysteme beeinflussen, lässt sich pauschal nicht beantworten. Vielmehr sollten die Umstände betrachtet werden, in denen sie vorkommen. Viele der Arten werden, wenn sie eine ökologische Nische gefunden haben, mit der Umgebung koexistieren und keine Probleme bereiten. Einige werden trotzdem invasiv, welche dann genau beobachtet werden sollten. Bevor Maßnahmen zur Bekämpfung einer invasiven Art unternommen werden, sollten immer die Kosten und Nutzen abgewägt werden. Oft ist eine Bekämpfung nicht nötig oder ineffektiv.
Erfolgreiche Neuankömmlinge
Eine der wohl bekanntesten Neobionten ist der Waschbär (Procyon lotor). Er ist ein Ausbreitungsbeispiel für eine eingeführte Tierart in hiesigen Breiten. Ursprünglich in Nordamerika beheimatet wurde er zur Pelzzucht in Europa eingeführt. Dort wurde er in Pelztierfarmen gehalten und aus einer dieser Farmen in Hessen brach er im 20. Jahrhundert aus. Von dort hat er sich über die Jahre in Deutschland ausgebreitet und kommt vor allem in Hessen und Brandenburg vor. Ob der Waschbär nun schädlich für heimische Tier- und Pflanzenarten ist oder nicht, ist umstritten.
Auch die Robinie (Robinia pseudoacacia) wurde im 17. Jahrhundert zuerst als Park- und Zierpflanze eingeführt und überwiegend in botanischen Gärten gepflanzt. Von dort breitete sie sich über Europa aus und etablierte sich in geschädigten Wäldern und Schadflächen. Da sie Stickstoff aus der Luft binden kann, kann sie auch gut auf mageren Standorten gedeihen. So düngt sie sich und die Umgebung selbst, sodass eine neue Artenzusammensetzung entsteht. Mittlerweile zum Teil im Waldbau verwendet, gibt es auch über die Robinie kontroverse Meinungen.
Weltweit wird viel Geld für die Bekämpfung von Neobiota ausgegeben. Da viele Pflanzen jedoch nur mit Hilfe von Glyphosat oder mittels Feuer in den Griff zu bekommen sind, tragen betroffene Ökosysteme immer Schäden davon. In Deutschland werden allein für die Bekämpfung des japanischen Staudenknöterichs 6,2 Millionen Euro pro Jahr ausgegeben. Die darauffolgende Ufersicherung kostet zusätzlich noch einmal 16,7 Millionen Euro. Aber warum werden Neobiota überhaupt bekämpft? Viele der neuen Arten sind zum Beispiel nach Stürmen, Waldbränden oder Kahlschlägen wichtig für die erste Bodendeckung. Wichtige Arten sind z.B. schnellwachsende Baumarten wie die Spätblühende Traubenkirsche oder Robinie. Die Robinie kann auf nährstoffarmen und kargen Böden wachsen und so zum Beispiel auch beim Erosionsschutz an Hängen helfen. Meist werden diese Pflanzen, welche kahle Flächen besiedeln und nicht heimisch sind, nach und nach von heimischen Bäumen wieder auf kleine Areale zurückgedrängt.