Die Europäische Wildkatze – ein Qualitätssiegel für den Wald

Man sieht sie fast nie. Man hört sie kaum. Doch sie ist heimlich zurückgekehrt. Nach über fünfzig Jahren durchstreift die europäische Wildkatze wieder österreichische Wälder. Sie ist eine „echte“ Europäerin, die schon vor über 300.000 Jahren unsere Wälder bewohnte, lange bevor die Römer die ersten Hauskatzen zu uns brachten. Vor 150 Jahren war sie noch häufig in unseren Wäldern anzutreffen, vor allem in der Osthälfte Österreichs. Danach wurde sie, als „Raubzeug“ verschrien, gnadenlos verfolgt. Heute gilt sie als ausgestorben oder verschollen, doch seit einigen Jahren mehren sich die Hinweise, dass sie im Norden, Süden und Osten wieder nach Österreich einwandert, vor allem im Waldviertel, der Wachau und in Kärnten.

Wald als Lebensraum

Wildkatzen lieben Waldränder mit reichen Heckenstrukturen und naturnahe Wälder mit kleinen Lichtungen, denn dort finden sie ihre Lieblings-Beutetiere, die Mäuse. Auf ihrem Speiseplan können – je nach Angebot – auch Kaninchen, Vögel, Eidechsen oder Frösche stehen. Sie streifen alleine umher und sind reviertreu, Kater leben auf einer Fläche von 1.000 bis 3.000 Hektar. Nur in der Paarungszeit von Jänner bis März kommen Kater und Kätzin zusammen. Im Frühling kommen die anfangs blinden Jungtiere zur Welt, um die sich die Mutter alleine kümmert. Schon im Sommer begleiten sie die Mutter auf der Jagd, im Spätsommer lernen sie, selbständig zu jagen. In Wildkatzengebieten darf nicht länger als 2 Monate im Jahr Schnee liegen, denn wegen ihrer kleinen Pfoten sinken Wildkatzen leicht im Schnee ein und sie können deswegen nicht gut jagen. Aufgrund ihrer äußeren Ähnlichkeit mit der Hauskatze wird die Wildkatze leider immer noch manchmal erschossen. Straßen zerschneiden sehr oft Wildkatzengebiete, weswegen die Tiere der ständigen Gefahr des Straßentods ausgesetzt sind. Durch die Zerstörung alter, naturnaher Wälder haben sie außerdem immer weniger Lebensraum.

Der Wildkatze auf der Spur

Die scheue Waldbewohnerin zu finden ist gar nicht so einfach, sie zählt zu den am wenigsten bekannten Säugetieren überhaupt. Deswegen nutzen Wildkatzenforscher Methoden wie bei der Kriminalpolizei. Sie schlagen raue Holzpflöcke, sogenannte Lockstöcke, in den Boden und besprühen sie mit Baldriantee. Wildkatzen lieben den Baldrian-Geruch und kommen, davon angelockt, zu den Pflöcken. Wenn sie sich daran reiben, hinterlassen sie im besten Fall ein paar Haare. Die Haare werden als „Beweismittel“ abgesammelt und in ein Labor geschickt. An den Haarwurzeln haften einzelne Zellen, welche genetisch analysiert werden. Mit dieser Methode kann nicht nur zwischen Wild- und Hauskatze unterschieden werden, sie ermöglicht sogar die Identifizierung einzelner Individuen. Das Anbringen von Wildkameras ist eine einfache, für jeden leicht anwendbare Methode. Sie wird bereits in vielen Jagdrevieren und auch von den Österreichischen Bundesforsten oder privaten Waldbesitzern praktiziert. Anhand bestimmter Merkmale kann man die Wildkatze von der Hauskatze auf den Fotos unterscheiden. So bekommen die Forscher wertvolle Hinweise auf mögliche Wildkatzengebiete, den 100% Beweis liefert aber nur der genetische Nachweis.

Stubentiger oder Wildkatze?

Nur geübte Experten können Wild- und Hauskatze wirklich unterscheiden. Die Wildkatze hat ein graues, gelb, bis ockerfarbiges Fell mit verwaschener, kontrastarmer Tigerung. Ihr Schwanz wirkt etwas kürzer und buschiger als der der Hauskatze, mit 2-3 deutlich getrennten Ringen und stumpfem Schwanzende. Ein prägnantes Merkmal ist der durchgehende, schwarze Aalstrich am Rücken. Häufig haben Wildkatzen einen kleinen, weißen Kehlfleck. Ihr Kopf wirkt wuchtig, das Haar ist länger, weswegen die Ohren kleiner wirken als bei der Hauskatze. Es gibt auch Hybride, also Mischlinge aus Wild- und Hauskatzen, da sich diese untereinander verpaaren können, was auch passiert. Dann ist die optische Unterscheidung noch schwieriger und eindeutig nur mit einer genetischen Probe möglich. Diese Vermischung stellt auch eine Gefahr für die Wildkatze dar, da dadurch die Art immer mehr verschwinden könnte. Aus diesem Grund ist die Kastration freilebender Hauskatzen sehr wichtig. Auch Hunde können Wildkatzen an ihrem Geruch eindeutig von Hauskatzen unterscheiden, daher werden diese „Wildkatzenspürhunde“  mittlerweile auch zur Suche nach der wilden Waldbewohnerin eingesetzt. 

Wie sieht ein wildkatzenfreundlicher Wald aus?

Damit die Wildkatze sich in unseren Wäldern verbreiten kann, sind mehrere Faktoren notwendig. Vor allem Forstleute, Landwirte und Jäger sind angeregt, diese umzusetzen.

Das braucht die Wildkatze: 

  • mehr als 1.000 ha große Laubmischwälder mit hohem Totholzanteil (mind. eine Totholzinsel/ha)
  • Biotopbäume, Wurzelteller, Holzganter, Asthaufen und ähnliche Strukturen
  • unbewirtschaftete Böschungen, Hecken und Baumreihen als Korridore
  • naturnahe Gewässer wie Teiche oder Bachtäler
  • strukturierte Waldränder mit Büschen
  • extensive Freiflächen und sonnige Waldwiesen, z.B. keine vollständige Aufarbeitung von Windwurfflächen

Im Wildkatzengebiet sollten:

  • stillgelegte Steinbrüche, Erd- oder Felshöhlen erhalten werden
  • Wiesenbrachen entlang von Fließgewässern erhalten werden
  • halboffene Weidelandschaften etabliert werden
  • keine Gifte gegen Insekten und Nagetiere verwendet werden
  • keine stark befahrenen Straßen vorhanden sein 
  • intensive Bewirtschaftungsmaßnahmen nur zwischen September und Februar durchgeführt werden
  • „Ruhezonen“ für die Jungenaufzucht ausgewiesen werden
  • keine Hauskatzen abgeschossen werden (Verwechslungsgefahr mit der Wildkatze!)
  • Freilaufende Hauskatzen kastriert und geimpft werden.

Diese und weitere Faktoren führen zu einem Wald mit hoher Biodiversität, in dem sich nicht nur die Wildkatze, sondern auch andere gefährdete Tierarten wie Alpenbock, Habichtskauz, Haselmaus oder Schwarzstorch so richtig wohl fühlen.

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Naturschutzkriminalität gefährdet Waldfauna

Naturschutzkriminalität gibt es nicht nur in Afrika sondern auch in Europa. Österreich ist dabei keine Ausnahme. Generell wird Naturschutzkriminalität als kriminelle Handlungen an frei-lebenden und oft geschützten Wildtierartendefiniert. In Österreich und Deutschland handelt es sich hierbei vor allem um Greifvögel, Biber, Fischotter, aber auch Luchse und Wölfe. Aber warum werden Tiere illegal getötet und welche Auswirkungen hat das auf gefährdete Arten wie den Luchs?

Motive illegaler Tötungen

Obwohl die Täter illegaler Tötungen oft nicht klar sind, da die Verfolgung keine Resultate bringt, zeichnet sich generell ein Muster bei den Motiven ab. Diese sind vor allem:

  • Jagdkonkurrenz
  • Angst vor Wertverlust (z.B. geringere Pacht)
  • Abwehr zum Schutz von Nutztieren
  • Wirtschaftliche Interessen (z.B. Baugenehmigungen Windkraft)
  • Trophäenjagd
  • Jagdtourismus
  • Historische Gründe (z.B. Nationalparkgegner)
  • Zeichen setzen gegen Naturschutzbewegung

Vor allem Beutegreifer wie Greifvögel, Luchs oder Fischotter können als Gefahr oder Jagdkonkurrenten empfunden werden, da sie Geflügel, Niederwild oder Fische als Beute ansehen. Ihre Bedeutung für das Ökosystem wird dabei leider oft vergessen. Dabei sind die Methoden zur Tötung unterschiedlich wobei es vor allem auf die Tierart ankommt, die das Ziel darstellt. Am häufigsten kommen Vergiftung, Fallen, Beschuss und Aushorstung bzw. das Entfernen von Gelegen oder ganzen Horstbäumen vor.

Großpolizei Einsatz zur Spurensuche

In Österreich und Deutschland fallen vor allem Greifvögel und Eulen den Tätern zum Opfer, wobei es in den wenigsten Fällen zu einer Anzeige kommt aufgrund fehlender Beweise. Deshalb fand eine bislang einmalige Absuchaktion für den Natur- und Artenschutz im März 2021 in Niederbayern statt. Dieser sollte als Warnsignal und Zeichen gegen Naturschutzkriminalität gelten und hoffentlich zu den möglichen Tätern führen. 

Der Grund für den Einsatz war eine Serie von vergifteten Greifvögeln. Seit Ende Jänner 2021 wurden in den Landkreisen Straubing-Bogen, Dingolfing-Landau und Deggendorf 11 tote Greifvögel gefunden, die meisten davon Mäusebussarde und eine Rabenkrähe. Die Suchaktion fand mit Aufspürstöcken und Drohnen statt, um Spuren zu finden, die sie zum möglichen Täter führen könnten.

Obwohl solch ein Großeinsatz selten ist, sind es die Fälle von illegalen Tötungen nicht. BirdLife Österreich und der WWF haben Ende 2020 einen Bericht veröffentlicht, der zeigt, dass in allen Bundesländern einschlägige Straftaten gemeldet wurden. Mit insgesamt 87 Fällen zwischen 2016 und 2020 gibt es sogenannte Hotspots der illegalen Verfolgung von Greifvögeln welche die Bezirke Gänserndorf, Neusiedl am See, Mistelbach und Hollabrunn umfassen.Bei den illegalen Tötungen streng geschützter Säugetiere wie Bär, Luchs, Wolf, Biber oder Fischotter gibt es weniger Daten. Dennoch dokumentiert der Bericht in sieben von neun Bundesländern – bis auf Wien und Vorarlberg – eine oder mehrere illegale Tötungen von Säugetierarten. 

Kann die Luchspopulation überhaupt wachsen?

Wildbiologen wissen mittlerweile dass – trotz optimaler Lebensraumbedingungen und fortlaufend nachgewiesenem Nachwuchs – illegale Verfolgung dafür verantwortlich ist, dass der Luchsbestand in Österreich seit vielen Jahren kaum zunimmt. Illegale Abschüsse sind das, was die Rückkehr des Luchses am meisten behindert, denn bei den geringen Stückzahlen ist jedes getötete Tier ein Verlust, der schwer auszugleichen ist.

Zum Beispiel wurde in 2011/12 in Österreich drei Tiere aus der Schweiz angesiedelt, um den Bestand im Nationalpark Kalkalpen zu stützen. Dies führte zu Nachwuchs, aber 2015 brach der kleine Bestand wieder aufgrund zweier illegaler Abschüsse ein. Das verantwortliche Jägerehepaar musste dafür jeweils 12.000 Euro Schadenersatz zahlen. Um den Verlust auszugleichen, wurden zwei neue Luchse in den Kalkalpen angesiedelt und man hofft jetzt wieder auf Nachwuchs.

Eine wissenschaftliche Studie von Heurich (2018) hat alle verfügbaren Daten des Luchsmonitorings ausgewertet und ist zu dem ernüchternden Ergebnis gekommen, dass das Vorkommen von Luchsen mit wachsender Entfernung von den Grenzen des Schutzgebietes rapide abnimmt, obwohl zahlreiche günstige Luchshabitate existieren. Die Luchse schaffen es also nicht, die Lebensräume zu besiedeln, die ihnen zur Verfügung stehen. 

In Österreich sind insgesamt nur sechs Fälle von illegal gewilderten Luchsen bekannt, wobei eine höhere Dunkelziffer sehr wahrscheinlich ist. Im Jahr 2012 wurde ein erschossener Luchs bei Mautern/Steiermark zur Tarnung auf die Geleise gelegt und vom Zug überrollt. Im Jahr darauf wurden zwei tote Luchse in einem Plastiksack in der Ysper aufgefunden – die Täter sind noch unbekannt. Wie schon erwähnt wurde 2015 einem Jägerehepaar die Erlegung von zwei Luchsen in der Nationalpark-Kalkalpen-Region nachgewiesen, was zu einer Verurteilung führte. Der letzte Fall illegaler Verfolgung wurde 2017 dokumentiert. Luchs Alus wurde an der Grenze Salzburg-Bayern (Saalachsee) erschossen aufgefunden. Im Waldviertel und Mühlviertel wurden zudem immer wieder verwaiste Jungluchse aufgefunden, weshalb auch aufgrund anderer bestätigter Vorfälle illegale Verfolgung als Ursache nicht auszuschließen ist.

Viele Wildtiertötungen bleiben ungeklärt

Die Aufklärung solcher illegaler Wildtiertötungen ist schwierig. Ein Großteil der Fälle von Naturschutzkriminalität bleibt ungeklärt und für die Täter folgenlos. Wird man jedoch erwischt fällt das Urteil je nach Tierart, also ob sie geschützt ist oder nicht, aus. Einen der raren Schuldsprüche vor Gericht gab es etwa im Sommer 2020 für einen Waldviertler Jäger, der eine Geldstrafe sowie eine sechsmonatige, bedingte Haftstrafe unter anderem für die Vergiftung eines Seeadlers und Mäusebussards sowie die Tötung eines Uhus erhielt.

Der Einfluss großer Beutegreifer auf die biologische Vielfalt und die so genannte Naturschutzmedizin

Simone Angelucci ist Leiter des Veterinäramtes im Majella-Nationalpark (MNP). Der MNP ist ein Schutzgebiet in Süd-Zentral-Italien, in der Abruzzen Region, entlang der Apenninen und ist von hohem ökologischem und naturschutzfachlichem Wert für den Schutz des Apenninen-Wolfs (Canis lupus italicus), des Marsicano-Braunbären (Ursus arctos marsicanus), der Apennin-Gämse (Rupicapra pyrenaica ornata) und anderer Wildtiere.

In dem Interview, dass ihr euch untenstehende anhören könnt, erzählt uns Simone was sein Job als Leiter des Veterinäramtes beinhaltet, warum Menschen eigentlich eine viel größere Rolle dabei spielen als Tiere, wie es um die Wolfspopulation im MNP steht und was in Zukunft noch auf ihn zukommen wird. Dabei geht er auch auf die Naturschutzmedizin (conservation medicine) ein, also wie Biodiversität dazu beiträgt die Gesundheit des Menschen aufrecht zu erhalten.

Das Interview ist auf English, aber deutsche Untertitel (mit Klick rechts unten auf CC) sind verfügbar.

Der Braunbär: Einzelgänger des Waldes

In den Alpen war der Braunbär zu Beginn des 20. Jahrhunderts fast ausgerottet. Zuvor hatte er den ganzen Alpenbogen besiedelt, doch Ende der 1940er Jahre lebten nur noch isolierte Einzeltiere in den Savoyer Alpen in Frankreich, sowie in Trentino in Italien. In den anderen Alpenländern galt er zum Teil bereits ab dem 18. Jahrhundert als ausgerottet. Im Süden und Südwesten Sloweniens wurde der Braunbär ab 1935 unter Schutz gestellt und der Bestand umfasst heute mehr als 300 Tiere. Die gesamte Dinarische Population umfasst sogar rund 2.800 Braunbären. Diese Population konnte überleben, da es seit 1935 landesweit einheitliche Jagd- und Schonzeiten gibt und das Auslegen von Gift-Ködern ab 1962 verboten wurde.

Weltweit gibt es schätzungsweise ca. 200.000 Braunbären. Davon leben ungefähr die Hälfte in Russland, im restlichen Europa finden sich ca. 17.000 Exemplare. Weitere große Populationen befinden sich in den USA und Kanada mit jeweils ca. 33.000 und 25.000 Bären15. Die Verbreitungsgebiete der Braunbären in Europa erstrecken sich über die Karpaten, das Dinarische Gebirge, die Alpen sowie den östlichen Balkan, die Pyrenäen, die Apenninen und das Kantabrische Gebirge. 

Rückkehr nach Österreich

In Österreich gibt es heute keine fest etablierten Bären. Allerdings gibt es immer wieder „Grenzgänger“ aus benachbarten Populationen. Besonders junge, männliche Bären wandern immer wieder nach Österreich ein. Durch die neuen Jagd- und Schutzbestimmungen wurde dieser Vorgang beschleunigt. Legendär wurde der so getaufte „Ötscherbär“, der sich 1972 in den steirisch-niederösterreichischen Alpen niederließ. Der Ötscherbär entfernte sich über 250 km von seinem Geburtsort9. 1989 und 1993 wurden drei weitere Bären aus Kroatien und Slowenien in Österreich im Gebiet des „Ötscherbären“ ausgewildert. Diese Ansiedlung war erfolgreich und es entwickelte sich eine neue, natürliche Popuation von bis zu 30 Tieren. Allerdings gilt diese seit 2011 als ausgestorben, nachdem man keine Bären mehr ausfindig machen konnte.

Die Grenzgänger kommen vor allem an der slowenischen und italienischen Grenze vor. 
Potenzielle Lebensraumgebiete in Österreich bietet vor allem der Alpenraum. Dort kann sich der Bär vor den Menschen zurückziehen und findet auch ausreichend Nahrung. Habitate für den Braunbären lägen zum Beispiel in den Karawanken, den Karnischen und Gailtaler Alpen in Kärnten und Osttirol. Außerdem zählen die Nördlichen Kalkalpen in der Steiermark, Niederösterreich sowie Oberösterreich zu guten Lebensräumen für Bären. Auch rund um den Arlberg könnten Bären vorkommen. 

Allgemeines

Der hier in Österreich vorkommende Eurasische oder Europäische Braunbär (Ursus arctos arctos) ist eine der 14 Unterarten des Braunbären, die in der Welt vorkommen. Ihr Ausbreitungsgebiet erstreckt sich vor allem auf der Nördlichen Hemisphäre von Nordamerika bis hin zur Mongolei. Aber noch im Mittelalter hatten die Bären ein viel größeres Verbreitungsgebiet als heute. Sie waren auf dem kompletten europäischen Festland sowie Großbritannien verbreitet. Vor Jahrtausenden kamen Braunbären auch auf Irland vor. Durch genetische Untersuchungen von Knochen- und Zahnfunden fand man heraus, dass Eisbären von irischen Braunbären abstammen. Durch Jagd und Verfolgung wurden die Braunbären jedoch in vielen Regionen vertrieben und ausgerottet.

Der bevorzugte Lebensraum des Braunbären sind Wälder, offene alpine Tundren und subalpine Buschtundren, Wüsten und Halbwüsten. Er ist allerdings sehr anpassungsfähig und braucht vor allem genügend Nahrung und Höhlen in seinem Lebensraum. Natürliche Feinde besitzt ein ausgewachsener Braunbär nicht, Jungtiere sind häufiger eine potenzielle Beute für zum Beispiel Wölfe oder männliche Bären. Der größte des Bären Feind ist der Mensch. 

Der Braunbär hat eine Kopf-Rumpf-Länge von 150 bis 250 cm. Dazu kommt eine Schwanzlänge von sechs bis 14 cm und eine Schulterhöhe von 90 bis 150 cm. Auch beim Braunbären besteht ein Geschlechtsdimorphismus, die Weibchen sind deutlich kleiner und leichter als die männlichen Tiere. Ein männlicher Braunbär wiegt ungefähr 135 bis 250 kg, die Weibchen üblicherweise zwischen 80 bis 120 kg. Die Statur des Bären ist groß und massig, mit gedrungener, kräftiger Hals- und Nackenpartie sowie einer langen Schnauze mit eng beieinanderstehenden Augen und rundlichen Ohren. Seine Fellfärbung variiert nach Lebensraum und Unterart und reicht von dunkelbraun über gräulich-braun bis hin zu blond oder fuchsrot. Die Braunbären sind Sohlengänger, wobei die hinteren Pranken größer als die vorderen sind. Bei Bedarf können sie hohe Geschwindigkeiten von bis zu 50 km/h erreichen. Die Sinne der Braunbären sind alle gut ausgebildet, vor allem die olfaktorische und akustische Wahrnehmung sind besonders gut ausgeprägt. Der Sehsinn ist mit dem menschlichen Sehsinn vergleichbar.

Bären sind Einzelgänger

Braubären sind Einzelgänger, die vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv sind, außer sie befinden sich in einem nicht vom Menschen beeinflussten Gebiet. Hier streifen sie auch tagsüber durch ihre Streifgebiete. Braunbären besitzen ein Steifgebiet, das bis zu hunderten Quadratkilometern groß sein kann. Abhängig ist die Größe von dem Nahrungsangebot (je weniger, desto größer), der Topografie sowie dem Alter und Geschlecht der Tiere. Auch können sich Streifgebiete von Bären überlappen, da Bären nicht territorial sind und Artgenossen tolerieren. In freier Wildbahn können Bären bis zu 20 Jahre alt werden. In Gefangenschaft können sie bis zu 30 Jahre alt werden.

Junge Bären werden mit drei bis fünf Jahren geschlechtsreif. Da die Jungtiere bis zu zwei Jahren bei ihrer Mutter bleiben, werden weibliche Bären normalerweise auch in einem Abstand von zwei bis drei Jahren trächtig. Die Paarungszeit findet zwischen Mai und Juli statt. In dieser Zeit kämpfen die männlichen Bären gegeneinander um ein Weibchen. Der Gewinner hält sich häufig noch nach der Paarung in der Nähe des Weibchens auf, um zu verhindern, dass sich andere mit ihr paaren. Die Entwicklung des Embryos beginnt allerdings erst im November, da die befruchtete Eizelle sich dann im Uterus einnistet. Die eigentliche Tragezeit beläuft sich also ab November auf sechs bis acht Wochen. Ende Januar bis Anfang Februar wirft die Bärin, noch in der Winterruhe, ein bis vier Junge, die blind, taub und fast nackt zur Welt kommen. Sie werden circa vier Monate lang gesäugt und verlassen dann zusammen mit ihrer Mutter die Höhle. Danach bleiben sie noch bis zu zwei Jahre bei ihrer Mutter, die ihren Nachwuchs allein aufzieht. Braunbären sind opportunistische Allesfresser und ihr Speiseplan hängt von den Angeboten des jeweiligen Gebietes ab. Hauptsächlich besteht ihre Nahrung aus pflanzlicher Kost. Neben dieser werden auch Aas, Vögel, Fische, Mäuse oder Rehe gejagt. Je nach Angebot jagen sie in manchen Regionen vorwiegend, in anderen suchen sie Insekten, Beeren, Pflanzen und fressen Aas.

Die Besonderheit unter den Großbeutegreifern ist, dass der Braunbär eine Winterruhe hält. Dabei legt er sich im Herbst Reserven für den Winter an und zieht sich in Mitteleuropa von Oktober bis April in seine Höhle zurück. Die Körpertemperatur sinkt in dieser Zeit, die Atemfrequenz und der Herzschlag sinken deutlich ab. In der Winterruhe nehmen sie weder Wasser noch Nahrung auf und setzten auch keinen Kot oder Urin ab. Allerdings können sie durchaus aufwachen und in milden Wintern auch ihre Höhle verlassen. Zu starke Störungen oder zu milde Winter können die natürliche Balance durcheinanderbringen und den Bären zu schaffen machen, da er durch jede Störung mehr von seinen Reserven verliert, die er für den ganzen Winter angelegt hat.

Status des Bären 

Der Braunbär ist eine geschützte Art. In Europa wird der Braunbär durch das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES), die Berner Konvention sowie die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie geschützt. Weltweit gilt der Braunbär nach den IUCN-Listen als nicht gefährdet, ist aber in vielen Ländern ausgerottet oder bedroht und steht unter strengstem Schutz.

Immer noch bedroht wird der Braunbär durch Wilderei. Gerade in Österreich wird vermutet, dass die meisten eingewanderten Bären Wilderern zum Opfer fielen. Weiterhin macht die Lebensraumzerstückelung den Bären zu schaffen. Unüberwindbare Hindernisse wie Autobahnen schränken die Mobilität ein und lassen die genetische Vielfalt in schwer zu erreichenden Gebieten sinken, was problematisch ist. Eine weitere Bedrohung stellt der Mensch und seine Beanspruchung verschiedenster Lebensräume dar. Der dadurch entstehende Nutzungskonflikt von Flächen steht dabei im Zentrum. 

Einfluss des Bären auf den Wald 

Je nachdem wie viele Bären in einem Gebiet vorkommen und wie ihre Hauptnahrung aussieht, können sie begrenzend auf die Schalenwildbestände wirken. Das Hauptaugenmerk bei der Jagd liegt hier allerdings eher auf den Jungtieren. In einem Gebiet mit Braunbären werden diese eher in seltenen Fällen zu einem limitierenden Faktor für die Schalenwaldbestände. Aufgrund dessen können sie nicht allein beziehungsweise nicht mit unmittelbar großem Erfolg zur Waldverjüngung und Waldregeneration beitragen. Dieses Phänomen wird auch aus Nordamerika berichtet, wo die Bären kaum eine limitierende Rolle im Schalenwildbesatz spielen. 

Mit anderen Beutegreifern zusammen kann sich das allerdings ändern. So besteht zum Beispiel zusammen mit dem Wolf ein stärkerer Jagddruck auf Schalenwild. Meistens machen Bären Wölfen die erlegte Beute streitig und fressen die verbleibenden Kadaver. Auch die Prädation der Jungtiere kann zu geringeren Beständen führen, da zu einem demographischen Wandel im Bestand führt. Es werden weniger Tiere groß, dadurch gibt es weniger adulte Tiere und es kommt zu weniger Verbiss. Dadurch können die Wälder sich mehr erholen, Verjüngung kann natürlich nachkommen und auch andere Schäden an Bäumen gehen zurück. Der Wald kann vitaler und resilienter werden, da mehrere Baumarten durchkommen, die sonst verbissen wurden. Dieser resiliente Wald bringt Vorteile für die Biodiversität, Tiere und nicht zuletzt auch für Menschen. Zum Beispiel gegenüber Wetterextremen, Schädlingsbefall und anderen Kalamitäten, die in Zukunft sicherlich öfter oder intensiver auftreten werden.

Somit wirken Bären nicht unbedingt allein als „Helfer des Waldes“ für die natürliche Waldentwicklung, spielen jedoch in Verbindung mit weiteren Beutegreifern eine bedeutende Rolle im Ökosystem. Mit dieser Wechselwirkung kann es in den Gebieten, in denen Wolf und Bär vorkommen, zu einer natürlichen Waldentwicklung mit angemessenen Wildbeständen kommen. Neben der Wechselwirkung im Zusammenspiel mit anderen Prädatoren haben sie auch als Aasfresser eine ökologische Bedeutung. Ob in Mitteleuropa dieser Effekt auf den Wald erzielt werden kann, ist jedoch nicht sicher zu sagen, da mit der zerstückelten Landschaft Probleme bzw. Limitationen mit den Streifgebieten und Territorien einhergehen. In vielen mitteleuropäischen Regionen wird dies wahrscheinlich nicht oder nur kaum möglich sein.

Der positive Einfluss großer Beutegreifer auf den Wald

In unserer Webinarserie präsentierte Vlado Trulik, Naturführer und Monitoring Experte, wie große Beutegreifer wie Wolf, Luchs und Bär den Wald beeinflussen – und zwar positiv! Er erzählt uns wie sie das Ökosystem Wald beeinflussen und welche wichtigen Prozesse durch sie ins Gleichgewicht gebracht werden können. Zum Beispiel hört man aus den Medien oft über Waldsterben und Borkenkäferschaden. Kaum jemand ahnt jedoch, dass uns mit diesen Problemen gerade die großen Beutegreifer helfen können. Er präsentiert auch einzigartige Aufnahmen von seinen Fotofallen und gewährt Einblicke in das geheimnisvolle Leben der “großen drei” und deren Bedeutung für die Natur und unsere Gesellschaft.

Über Vlado Trulik

Vlado Trulik widmete sich lebenslang in seiner Freizeit der Wildnis. Schon immer ist er viel draußen gewesen und hat mit offenen Augen die Natur beobachtet. Sehr früh merkte er, dass es ihm Spaß macht seine Kenntnisse auch zu teilen, weshalb er sich den Naturführungen gewidmet hat.
Dadurch hat er sein Hobby zum Beruf gemacht: Seit 1998 führt er wanderlustige Naturliebhaber in kleinen Gruppen, aber auch Individualisten, zu den schönsten Ecken im Westen der Nordslowakei. Diese Region kennt er wie kaum ein Anderer und damit ermöglicht er seinen Gästen Naturszenen zu erleben die sie alleine niemals finden würden.

Über Jahre hat er auch ein funktionierendes Monitoring System aufgebaut, in dem seine Kamerafallen mit den Naturführungen kombiniert. Durch die Teilnahme an den Naturreisen unterstützen die Gäste seine Monitorringaktivitäten und dafür teilt Vlado mit ihnen sein Wissen und seine einzigartigen Aufnahmen. Er sieht Eco-Tourismus als wirtschaftlichen Faktor und als einen der Gründe, warum man Biodiversität erhalten und schützen soll. Sein Model ist auch Beweis dafür, dass der „sanfte“ Tourismus aktiv zum Schutz der Biodiversität beitragen kann.

In einer virtuellen Exkursion in den Mala Fatra Nationalpark hat er uns mehr über seinen Job erzählt und uns sein Modell des naturnahen mit Fotos und Videos nährgebracht: zur virtuellen Exkursion.

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Das Gleichgewicht zwischen Wald, Wild und großen Beutegreifern

„Wald und Wild“, so lautet der eingebürgerte Grundsatz im Forstbereich. Für manch anderen ist es eher „Wald mit Wild“. Egal wie man diese verschiedenen Situationen im Umgang mit dem Wald sieht, es ergeben sich häufig Konflikte. Unter anderem auch durch die Rückkehr der Beutegreifer. 

Wildtiere im Wald

Wildtiere gehören zum Ökosystem Wald dazu. Sie haben wichtige Funktionen und regulieren Abläufe, die wir vielleicht gar nicht ganz erfassen können. In abgestimmten Populationsdichten haben Wildtiere kaum negative Auswirkungen auf den Wald und das Ökosystem befindet sich im Gleichgewicht. Da durch die Ausrottung der großen Beutegreifer aber das Räuber-Beute-Verhältnis gestört wurde, kann das zum Teil problematische Folgen für die natürliche Waldverjüngung und Waldzusammensetzung haben. 

Insbesondere das Schalenwild verursacht Verbissschäden, die die Sämlinge im Wachstum einschränken und das Höhenwachstum schädigen. Auch Schälschäden von Rotwild an zum Beispiel Fichten rufen bei älteren Exemplaren Folgeschäden hervor wie den erleichterten Eintritt von Pilzen in das Holz durch die abgeschälte Rinde. Und an diesen Stellen findet häufig auch kein Nährstoff- und Wasseraustausch mehr statt. Auch Fegeschäden von Rehböcken sollten nicht unterschätzt werden und können bei kleineren und dünnen Bäumen größere Verletzungen hervorrufen. Zum Schalenwild gehören folgende, dem Jagdrecht unterliegende, Wildarten: Rotwild, Damwild, Sikawild, Rehwild, Steinwild, Gamswild und Schwarzwild.

Wald-Wild-Konflikt

Das Thema findet immer wieder seinen Einzug in die Öffentlichkeit. Viele Waldbesitzer klagen, dass eine natürliche Verjüngung ihres Waldes kaum möglich ist aufgrund des hohen Wildverbisses. Auch möchten immer mehr Menschen ihre Rechte im Wald wahrnehmen wie zum Beispiel die Erholungsfunktion oder Lernfunktion. Doch auch die Wildtiere haben das Recht auf ihren Lebensraum. Um diese Ansprüche in Einklang zu bringen, ist überlegtes Wildtiermanagement nötig. 

Für den Wald und die Waldbesitzer steht die Walderhaltung im Vordergrund und auch die Sicherung der Biodiversität. Dies wird durch ein Übermaß an Wild im Wald bedroht, da die Nahrung für das Wild irgendwo herkommen muss. In Österreich wurden im Jagdjahr 2017/2018 285.718 Rehe erlegt, sowie 1.190.724 Rehe im gleichen Jagdjahr im Nachbarland Deutschland. Da aber Millionen Rehe unsere Wälder bevölkern, ist es kein Wunder, dass die Verjüngung im Wald nicht besonders gut vorankommt. Außerdem ist das Rehwild ein Konzentratselektierer, der „Feinschmecker“ unter dem Wild, und ist relativ wählerisch mit seiner Nahrungsaufnahme. Häufig frisst es Kräuter, Gräser, Sträucher, Stauden, sowie Früchte, Knospen und Pilze. Trotz dieser anspruchsvollen Nahrung kommt das Rehwild bei uns sehr häufig vor, da es an den Lebensraum angepasst und ein Kulturfolger ist. 

Da so viel Wild im Wald lebt und dieses auch satt werden möchte, kann durch eine zu hohe Wilddichte ein ganzes Waldstück entmischt werden. Dadurch können die verschiedensten Schutzfunktionen des Waldes in Mitleidenschaft geraten. Weiter schwierig zu bewerten ist die Biodiversität und ihre Beeinträchtigung durch den Wildverbiss. Die Biodiversität im Wald ist natürlich nicht nur durch die verschiedensten Baumarten geprägt, jedoch auch durch die zahlreichen unterschiedlichen Pflanzen- und Tierarten.

Zum Beispiel wirkt sich der Verbiss durch eine zu hohe Schalenwilddichte im Bergwald nachteilig auf dessen Schutzfunktion aus. Auch die Biomasseproduktion sinkt und durch mehrmaligen Verbiss wird früher oder später eine Instabilität und Mortalität der Bäume hervorgerufen. So kann sich ein vitaler Mischwald in Teilen nicht mehr selbst regulieren und verliert nach und nach seine Funktion als Schutzwald. Diese Schutzfunktionen sind der Erosions- und Lawinenschutz, die Wasserrückhaltefunktion und dessen Reinigung. Fehlen diese, da der Wald nicht mehr ganz intakt ist, kann dies Gefahr für die Menschen und Dörfer darstellen.

Einfluss von Beutegreifern auf das Waldökosystem

Wölfe sowie andere große Beutegreifer haben auf die Bestandsdichte ihrer Beutetiere direkten und indirekten Einfluss. Direkte Einflüsse beziehen sich auf numerisch betreffende Effekte, wie zum Beispiel den Bestand und die Demografie von Reh-, Rot- und Gamswild. Die indirekten Einflüsse drehen sich um funktionelle Effekte, also Verhaltensänderungen des Schalenwildes. Generell lässt sich sagen, dass in der ersten Zeit, wenn Prädatoren wieder in ein Gebiet zurückkehren, die indirekten Einflüsse überwiegen. Die Huftiere verändern ihre Raum- und Ressourcennutzung, da sie versuchen den Beutegreifern aus dem Weg zu gehen. Sind mehr Beutegreifer vorhanden, kommen nach und nach auch die direkten Einflüsse zum Vorschein, nämlich der Rückgang der Huftierdichte. Mit diesen Wechselwirkungen zwischen Wolf und Schalenwild wird auch der Verbiss an der Waldverjüngung verändert. Per se kann jedoch nicht gesagt werden, dass der Verbiss weniger wird, wenn Beutegreifer zurückkehren. Die Wechselwirkungen zwischen Räuber-Beute-Beziehung sind vielfältig und sehr komplex. 

Durch das lange Fehlen der natürlichen Feinde von Schalenwild konnten diese sich ausbreiten und die Populationsdichten zunehmen. Mit der Rückkehr der Beutegreifer kann sich das ändern. Da Wölfe ganzjährig jagen, um ihren Energiebedarf zu decken, führt das zu kleineren Beständen der Beute. Dadurch kann die Häufigkeit, Stärke und Verteilung des Verbisses an jungen Waldbäumen beeinflusst werden. Dieser direkte Einfluss auf die Dichte des Schalenwildes ist der offensichtlichste, aber nicht der einzige. Nicht vergessen werden sollte, dass ein erhöhter Rückgang des Schalenwildes auch ein besseres Nahrungsangebot für die verbleibenden Bestände bedeutet. Dies kann sich dann indirekt auf die Konstitution, Wintersterblichkeit und Nachwuchsrate der Individuen auswirken. Somit kann die Bestandsreduktion durch die Prädatoren zum Teil ausgeglichen werden. 

Des Weiteren wird durch den Prädationsdruck die räumlich-zeitliche Nutzung des Wildes verändert. Die Tiere lernen den Druck durch angepasstes Verhalten zu verringern. Nebenbei wird so auch wieder der Verbiss indirekt beeinflusst. Das Schalenwild bewegt sich nun mehr und so werden folglich an einem Ort nicht mehr ganz so viele Pflanzen verbissen, können sich erholen und hochkommen. 

Schalenwild weicht den Beutegreifern aus

Der numerische Effekt auf Wildtiere ergibt sich häufig erst durch große Wolfsbestände, die sich erst einmal etablieren müssen. Häufig sind die das räumliche und/oder zeitliche Ausweichen in andere Regionen eine der am häufigsten auftretenden Auswirkungen von Wölfen. Das Wild weicht den Prädatoren aus und wandert in risikoärmere Gebiete ab oder meidet die Streifgebiete von Wölfen. Es konnte nachgewiesen werden, dass in kleinräumigen Gebieten das Rotwild Bereiche mit viel Totholz meidet. In diesen Bereichen können Gefahren lauern, die das Wild nicht wahrnimmt und zudem kann es dort schlechter fliehen. So kann es in den Kerngebieten der Wölfe, in denen viel Totholz vorhanden ist, zu weniger Verbiss und mehr natürlicher Verjüngung kommen. Andererseits kann es in den Gebieten, in denen sich dann das Rotwild aufhält, zu vermehrtem Verbiss kommen. Zusätzlich dazu lässt sich wahrscheinlich bei den Gämsen der verkehrte Effekt „erzielen“. Diese werden sich in Gebiete mit viel Totholz zurückziehen, da sie dort genügend Nahrung und Schutz finden und Wölfe in offenem Gelände erfolgreicher Jagen können als in dichten Beständen. Auch hier kann sich beim Schalenwild eine Veränderung im Verhalten einstellen, da sie sicherer in den dichten Beständen sind. Weiterhin berichtet eine andere Studie, dass das Schalenwild im Sommer in höhere sowie steilere Lagen abwandert, um den Wölfen auszuweichen.

Durch die Verhaltensänderungen werden auch die Gruppengrößen und damit der lokale Äsungsdruck beeinflusst. Ebenfalls wird das Wild bei Wolfspräsenz wachsamer, sichert mehr, pausiert mit den Nahrungsaufnahmen und weicht zum Äsen in risikoärmere Stunden im Tagesverlauf aus. Auch wenn nur ein geringer Anteil des Schalenwildes den Prädatoren zum Opfer fällt, führen die Beutegreifer zum Teil erhebliche Verhaltensänderungen hervor.

Verschiedene Beutegreifer wirken sich unterschiedlich aus

Im Nachbarland Schweiz zum Beispiel erfolgt der Einfluss der Beutegreifer auf die Waldverjüngung hauptsächlich indirekt, da die Wolfs- sowie Luchspopulationen eher klein- bis mittelgroß sind. Sind zusätzlich zu den Beutegreifern auch noch Menschen im Gebiet aktiv, entstehen komplexe Wechselwirkungen. Nicht alle Beutegreifer haben dasselbe Beutespektrum oder die gleiche Jagdstrategie und üben somit auch nicht den gleichen Jagddruck aus. Differenzieren sich die Jagdstrategien zwischen den verschiedenen Beutegreifern, kann einem auszuweichen bedeuten, einem anderen in die Fänge zu geraten. Zum Beispiel kann durch den Rückzug in Dickungen (wegen des Wolfes) dort der Luchs auf Rehe und anderes Wild warten. Sind die Strategien jedoch gleich oder ähnlich, zum Beispiel, dass Mensch und Wolf besser in offenen Landschaften jagen, ändert sich in diesem Bereich das Verhalten der Beute stärker. In diesem Fall führt dies zu Rückzug in dichtere Bestände oder höhere Lagen. 

Allerdings hat der Mensch einen viel größeren Einfluss auf die Beutetiere als die Beutegreifer selbst. Durch den Menschen und die Jagd wird das Verhalten der Rehe und anderer Wildarten viel stärker eingeschränkt. Der Tag-Nacht-Rhythmus des Schalenwildes kann sich in stark bejagten Gebieten verändern. Tagsüber sind sie nun wachsamer und verlagern ihre Aktivitäten zunehmend in die Nacht, was aber nicht ihrer natürlichen Biologie entspricht. Weiterhin werden die Tiere noch heimlicher und sind nicht mehr so häufig für den Menschen „erlebbar“. 

So kann es sein, dass der Mensch auf die Vegetation einen größeren Einfluss hat als Wölfe oder andere Beutegreifer, zumindest in und während der Jagdsaison. Daraus lässt sich folgern, dass der Verbiss in Gebieten, die durch Jagd beeinflusst sind, was fast überall der Fall ist, auch vom Menschen abhängt. Eine Verringerung des Verbisses kann durch gezielte Jagd erreicht werden, wenn in den Gebieten die Population konstant gehalten werden kann und die Beutegreifer häufig weibliche und junge Tiere erlegen. Allerdings ist das schwierig, da die meisten Jäger nicht ganz so effektiv sind wie Beutegreifer. Zwar können nicht sofort Veränderungen festgestellt werden, wenn die großen Beutegreifer zurückkommen, da Bäume lange Zeit zur Entwicklung brauchen. Es kann aber durchaus gesagt werden, dass Beutegreifer positive Effekte auf die Verjüngung in Waldgebieten haben können. 

Der Wolf und der Wald

Ursprünglich war der Wolf einer der am weitesten verbreiteten großen Beutegreifer in Europa und auf der ganzen Welt. Auf der nördlichen Hemisphäre war er flächendeckend vertreten. Doch im Laufe der Zeit wurden die Wölfe in Europa immer stärker verfolgt und gejagt. Auch in anderen Teilen der Welt sah das nicht besser aus, Wölfe wurden vehement verfolgt und gejagt. In England soll er bis zum 15. Jahrhundert, in Schottland bis zum 17. und in Irland ebenso wie im Rest Europas bis Ende des 18. Jahrhunderts vorgekommen sein. Ab dem 19. Jahrhundert begann die Verfolgung, weswegen er in weiten Teilen Europas und im ursprünglichen Verbreitungsgebiet komplett ausgerottet wurde. Ein weiterer Grund für den Rückgang der Wolfspopulation neben der Ausrottung war auch der zwischenzeitliche Schwund des Waldes und der Beutetiere.

Trotz der nahezu totalen Ausrottung konnten sich Wölfe wieder in Europa ausbreiten und etablieren. Dies war möglich, da Wölfe in einigen Regionen Europas überlebten, sich die Populationen erholten und durch Ausbreitung wieder angesiedelt haben. Sie überlebten zum Beispiel in der Balkanregion sowie in Italien, Spanien, Finnland und Portugal. Unterstützt wurde die Ausbreitung dadurch, dass sich die Schalenwildbestände erholten und somit wieder genügend Beute zur Verfügung stand. In den letzten Jahrzehnten kamen dann auch Schutzbestimmungen für den Wolf auf.

Allgemeines

Der in Europa vorkommende Europäische Grauwolf (Canis lupus lupus) ist ein anpassungsfähiger Kulturfolger und einer der größten Landprädatoren in Europa. Weltweit gibt es um die 170.000 Wölfe, in Europa leben davon ungefähr 12.000 Exemplare. Der größte Gegenspieler des Wolfes ist der Mensch, der ihm durch direkte Verfolgung und Lebensraumzerstörung zusetzt. In freier Wildbahn können sie zwischen 8 und 12 Jahre alt werden, in Gefangenschaft erreichen sie bis zu 20 Jahre.

Der Wolf hat eine Kopf-Rumpf-Länge von 100 bis 150 cm, allerdings besteht ein Geschlechtsdimorphismus. Das bedeutet, die Weibchen sind kleiner und leichter als die Männchen. Sie können eine Schulterhöhe zwischen 50 und 90 cm erreichen, die Rutenlänge liegt bei 30 bis 50 cm. Das Gewicht beläuft sich auf 28 bis 38 kg, wobei die nordamerikanischen Unterarten bis zu 80 kg wiegen können. Die leichtesten Exemplare sind die Arabischen Wölfe mit durchschnittlich 15 kg. Bei allen Wölfen sind die Sinnesorgane sehr gut ausgeprägt.

Wölfe können in vielen verschiedenen Farbvariationen vorkommen. In hiesigen Breiten ist der Wolf normalerweise grau bis bräunlich gefärbt und hat einen dunklen Sattelfleck auf dem Rücken. Weiterhin besitzen sie eine helle Gesichtspartie, haben dreieckige Ohren und tragen ihre Rute mit der schwarzen Spitze meistens gerade nach unten. Wölfe sind hochbeinig, was sie für ausdauernde und lange Wanderungen prädestiniert. Ihre typische Gangart ist der geschnürte Trab, das bedeutet die Hinterpfote wird in den jeweiligen Abdruck der Vorderpfote gesetzt.

Als anpassungsfähiges Tier siedelt sich der Wolf in den unterschiedlichsten Landschaften an. Tundra und Offenlandgebiete werden genauso genutzt wie Waldregionen oder Steppe und sogar Wüstengegenden. Sie können außerdem in sumpfigen Gegenden sowie im Hochgebirge und allem dazwischen vorkommen. Wichtig für ihr Vorkommen in einem Gebiet ist ausreichend Nahrung und genügend Rückzugsraum, wo sie nicht gestört werden und ihre Jungen aufziehen können.

Wölfe jagen vorranging die Tiere, die in ihrem Revier häufig vorkommen, bevorzugen aber Schalenwild wie Rehwild, Rotwild, Damwild und Schwarzwild. Wölfe jagen im Rudel und meistens trifft es leichter zu erreichende Beute wie junge, kranke, alte oder schwache Tiere. Ihr Fleischbedarf liegt bei ungefähr 3 bis 5 kg pro Tag, sie können dabei viel Fleisch auf einmal verschlingen und danach mehrere Tage ohne Fressen auskommen.

Wölfe sind sehr soziale Tiere und leben in einer engen Sozialstruktur, dem Rudel. In freier Wildbahn besteht das Rudel aus den Leittieren, dem Elternpaar, den aktuellen Jungen und den Jährlingen sowie eventuell aus Jungtieren aus dem vorletzten Jahr. Die jungen Wölfe wandern nach ca. 10 bis 22 Monaten auf der Suche nach einem eigenen Revier ab, wenn sie geschlechtsreif sind. Wölfe sind territorial, sie markieren und verteidigen ihr Revier gegen Eindringlinge. Die Reviergröße hängt von dem jeweiligen Nahrungsangebot und dem Ort des Revieres ab. Je mehr Nahrung vorhanden, desto kleiner kann das Revier sein. Die Ausmaße eines Revieres können zwischen 50 km² bis 1000 km² variieren. In Europa ist die durchschnittliche Reviergröße etwa 200 bis 300 km². Häufig gibt es zwischen zwei benachbarten Revieren ein Grenzgebiet, in dem keines der Rudel Anspruch hat. Diese Gebiete werden häufig von wandernden Einzelwölfen genutzt, da ihnen hier keine Gefahr droht als Eindringling angesehen zu werden. In einem Rudel pflanzt sich meistens das Elternpaar fort. Die Paarungszeit findet je nach Klimazone von Dezember bis April statt und nach durchschnittlich 63 Tagen wirft das Weibchen oder die „Fähe“ zwei bis sechs Welpen, die blind und taub geboren werden. Nachdem die Welpen bis zur dritten oder vierten Woche das Rudel kennengelernt haben, werden sie auch von den anderen Rudelmitgliedern aufgezogen.

Wölfe in Österreich und ihr Schutzstatus 

Durch die Populationen in den Nachbarländern wie Italien, Schweiz, Slowenien, der Slowakei, Tschechien und Deutschland gab und gibt es in Österreich immer wieder Sichtungen wandernder Wölfe. Seit 2009 gibt es immer wieder nachgewiesene Wolfssichtungen. 2016 siedelte sich ein Wolfspaar in Österreich an und warf noch im selben Jahr. Nun gibt es hier wieder ungefähr 30 bis 35 Tiere. Diese siedelten sich auf natürlichem Wege, durch abwandernde Tiere anderer Populationen auf der Suche nach einem eigenen Revier, an12.

Nach Europäischen Recht, im Speziellen der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie, ist der Wolf eine streng geschützte Art. Geschützt wird er außerdem durch das Washingtoner Artenschutzabkommen (CITES) und die Berner Konvention. In Österreich unterliegt der Wolf nicht dem Jagdrecht und ist in jedem Bundesland durch Naturschutzgesetze geschützt.

Einfluss des Wolfs auf den Wald 

Als ganzjährig im Rudel jagende Tiere stellen die Wölfe die größte natürliche Bedrohung für das Wild dar. Der Wolf jagt alles Schalenwild, je nach Vorkommen können sich Präferenzen in der Nahrung ergeben. Die Einflüsse von Wölfen auf das Ökosystem und die Beutetiere sind komplex und können sich über die Zeit verändern. 

Wenn Wölfe in ein Gebiet kommen, brauchen sie Nahrung, jagen und reduzieren somit die Wildbestände, was den Verbiss verringert. Das ist der direkte Effekt, wenn einige Wölfe wieder in ein Gebiet zurückkehren. Vor allem sind aber indirekte Einflüsse zu erkennen. Das bedeutet zum Beispiel die Verringerung oder Veränderung des Verbisses durch Verhaltensänderungen von Schalenwild und nicht durch eine verringerte Anzahl der Tiere. Solche indirekten Einflüsse sind zum Beispiel im Yellowstone Nationalpark in den USA daran zu erkennen, dass durch die Rückkehr des Wolfes weniger Aspen verbissen wurden und eine veränderte Baumartenzusammensetzung auftrat. Dadurch konnten sich wieder vermehrt Biber sowie Singvögel ansiedeln. Weiterhin wuchsen durch den verringerten Äsungsdruck die Zwergsträucher besser und bieten nun mit ihren Beeren eine weitere Nahrungsquelle für Bären und Vögel. Zusätzlich wird durch die gerissene Beute der Wölfe Aas für andere Tiere zur Verfügung gestellt, was auch wieder die Biodiversität steigert. So profitieren Käferarten, Singvögel und andere Tierarten vom Wolf.

Gründe hierfür sind zum Beispiel die erhöhte Wachsamkeit der Beutetiere, wenn Wölfe wieder in einem Gebiet vorkommen. Des Weiteren halten sie sich nicht mehr nur an einer Stelle im Wald auf, die sie „in Ruhe“ verbeißen können. Das Schalenwild kommt mehr in Bewegung und zieht durch den Wald. Dadurch verteilt sich der Verbiss, wird kleinflächiger an mehreren Stellen und ist nicht hauptsächlich großflächig konzentriert. Für den Wald und die Verjüngung ist diese Situation vorteilhaft, da nicht mehr so viele Bäume in einer Region verbissen werden und die Chance besteht, dass wieder junge Bäume und auch spezielle Baumarten in der Region wachsen können. 

Direkte und indirekte Einflüsse

Weitere indirekte Einflüsse sind, dass durch die Reduktion der Schalenwildbestände die Nahrungsgrundlage für die verbleibende Population verbessert wird. Die Tiere sind also fitter und die Wintersterblichkeitsrate kann so verringert werden. Auch die Nahrungszusammensetzung kann sich verändern und der Äsungsdruck, je nach Situation, zu- oder abnehmen. Eine weitere häufig auftretende Veränderung ist eine veränderte Raum-Zeit-Nutzung und das Ausweichen in Regionen, die sicherer sind. Sie wandern zum Beispiel in wald- und totholzreichere Gebiete ab, da diese mehr Schutz bieten als offene Landschaften. Ebenso kommt es durch die Präsenz der Wölfe bei ihrer Beute zu mehr Sicherungen zwischen oder während den Mahlzeiten, was zu mehr Unterbrechungen zwischen dem Äsen führt. Das wiederrum hat verringertem Verbiss zur Folge. So kann eine Verjüngung der Bäume stattfinden und ein natürlicher Wald kann über kurz oder lang entstehen. 

Ein weiterer positiver Effekt auf den Wald und die Verjüngung ist der kombinierte Prädationsdruck. Das bedeutet, dass mehrere Großräuber in einem Gebiet vorkommen und zusammen vermehrte Effekte erzielen. Zum Beispiel konnte nachgewiesen werden, dass in Gebieten, in denen der Luchs und der Wolf vorkommen, die Rehdichte geringer ist als in den Gebieten, in denen nur der Wolf oder nur der Luchs vorkommen. Auch in Gebieten, in denen der Wolf und der Bär vorkommen, gehen die Schalenwildbestände zurück. In letzteren vor allem, weil Bären eher die Jungtiere reduzieren und Aas fressen, welches durch die Wölfe erlegt wurden. Dadurch haben die Wölfe weniger zu fressen und jagen nun mehr als sie normal brauchen würden. So werden die Bestände weiter reduziert. Dasselbe kann auch beim gemeinsamen Vorkommen von Bär und Luchs beobachtet werden13

Die Calanda-Region zeigt die Auswirkungen von Wolfspräsenz

Ein weiteres Beispiel, das die Folgen auf den Wald zeigt, ist das Rudel in der Calanda-Region in der Schweiz. Hier kommen vor allem indirekte Effekte zum Tragen. Das Schalenwild ist in der Region heimlicher geworden. Das Stein- und Gamswild verlagert seine Aktivitäten in die sicheren Felsengegenden. Auch kann die Gamsbrunft kann immer häufiger in den felsigen und für Beutegreifer unzugänglichen Gegenden beobachtet werden, da die Gämsen dort sicherer sind. Auch das Rotwild zieht sich tagsüber aus den offenen Gebieten zurück. Entweder ziehen sie sich in die weniger gut zu erreichenden Regionen zurück oder in den Wald mit besseren Deckungsmöglichkeiten. Des Weiteren wandert das Rotwild nicht mehr nur im Winter in die tieferen Tallagen ab, um Ruhe zu finden und dem Prädationsdruck des Wolfes zu entkommen. Hieraus lässt sich schließen, dass sich die Wildtiere „wieder an die Wurzeln der Evolution halten. Der Rothirsch als Läufertyp muss sich wieder Wanderungen annehmen, das Gams- und Steinwild orientiert sich wieder an den Felsen und das Reh kehrt zum Drückertyp zurück.“ 

Die Verhaltensänderungen des Schalenwildes wirken sich auch auf die Vegetation aus. Wenn sich zum Beispiel Gams- und Steinwild in die felsigeren Regionen zurückzieht, verursacht es dort keinen Verbiss. Wenn das Rotwild wieder auf Wanderschaft geht, wird zwar auch verbissen, aber nicht in dem Ausmaß wie von einem ganzen Rudel Rotwild, das länger in derselben Umgebung verweilt. Dadurch haben die Baumsämlinge bessere Chancen zu überleben und natürliche Verjüngung kann stattfinden. Auch die Verteilung des Wildes bringt Entlastung für den Wald.

In der Calanda-Region sind vor allem in der ersten Zeit nach der Rückkehr des Wolfes die indirekten Einflüsse zu sehen gewesen. In Kerngebiet des Rudels ist der Verbiss bei zum Beispiel Tanne, Ahorn und Vogelbeere deutlich gesunken. Dies spricht auch dafür, dass Wilddichten reduziert wurden, was auf die Wölfe zurückzuführen ist. Weiterhin wurden Verhaltensänderungen beobachtet, die sich positiv auf die Verbissintensität auswirkte. Allerdings stieg im Wintereinstand des Rotwildes der Verbiss an. Warum dies der Fall ist, ist noch schwierig zu beurteilen. Hier wird deutlich, dass die Gleichung „Wolf = weniger Wild = weniger Verbiss“ nicht immer so einfach zutrifft. 

Hin zu einem natürlichen Gleichgewicht

Natürlich ist hier noch abzuwarten was die Langzeitfolgen der Wölfe auf das Schalenwild sind. Durch die genannten Beispiele ist auf jeden Fall zu sehen, dass der Wolf einen Einfluss auf die Waldverjüngung und den Wald im Allgemeinen hat. Sei es nun durch indirekte, direkte oder kombinierte Effekte. Allerdings sind diese Räuber-Beute-Beziehungen komplex und können nicht pauschal und im Allgemeinen auf jede Region angewendet werden. Durch Langzeiteffekte kann am besten beurteilt werden, was sich verändert hat. Sie zeigen, wie die Situation ursprünglich in Europa war. Es braucht Zeit, bis sich das gesamte Gefüge wieder eingespielt hat. Auch hat der Wald mehr Zeit sich zu erholen, wenn das Schalenwild mobiler ist und sich mehr bewegt und umherstreift. Weiterhin ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch andere, häufig verbissene Baumarten durch die Bewegung des Wildes wieder hochkommen, groß.

Wilddichte: damals und heute

Genaue Zahlen von Wildtierpopulationen lassen sich nicht ermitteln. Es können nur ungefähre Zahlen geschätzt werden, wobei unterschiedliche Methoden verwendet werden können. Zum Beispiel durch Hochrechnungen basierend auf der Zahl der erlegten Individuen, durch die sogenannte Scheinwerfertaxation oder durch Losungskartierungen. 

Wilddichte und Jagd damals

Früher waren die Wilddichten nicht so hoch wie in heutigen Zeiten und die Jagd hatte meist einen anderen Stellenwert. In der Frühzeit wurde Wild hauptsächlich als Nahrungsquelle zum Überleben verwendet. Die Menschen hingen mehr oder weniger vom Jagderfolg ab und verwendeten auch Felle, Sehnen und Knochen der erlegten Beute. Zwar gab es damals noch keine Feuerwaffen, doch verfügten die Menschen über diverse Jagdtechniken und -methoden. Schnelles Wild zum Beispiel wurde in den Abgrund getrieben und wehrhaftes Großwild wurde mit Fallen gefangen und mit Speeren oder Steinen getötet. Durch das Sesshaftwerden änderte sich dieses Verhalten. Das Wild wurde durch Weidevieh ersetzt, was einfacher zu halten und zu töten war. Das Wild wurde nun auch als Konkurrenz um die Kulturfrüchte wahrgenommen.

In der Antike und im Mittelalter wurde die Jagd dann zu einem männlichen Ritual. Außerdem änderten sich mit dem Feudalismus die Jagdrechte. War es davor noch jedem erlaubt zu jagen, wurde dies nun beschränkt und auch unter den verschiedenen Tierarten unterschieden. Auf Hochwild wie Wildschwein oder Rothirsch hatten nur der Hochadel Zugriff. Wildreiche Wälder wurden von den Königen beansprucht und sie verhängten ein Jagdverbot in diesen. Auf das Niederwild wie Reh, Hase und Fasan, hatte der niedrigere Adel Anspruch. Durch diese Änderungen bedingt sich das heutige Jagdrecht noch immer in grundlegenden Dingen. Aufgrund des „Jagdfiebers“ des Hochadels wurden damals schon die Wilddichten in ganzen Wäldern dezimiert. Im 17. und 18. Jahrhundert erreichte die Jagd den Höhepunkt. Jagdschlösser wurden errichtet und meistens galt die Jagd dann als Hobby für die höheren Ränge. Die Bürgerkriege änderten die Feudaljagd und gaben danach wieder allen Bürgern die Möglichkeit zur Jagd. Das Gesetz wurde so umgeändert, dass das Jagdrecht nun an Grund und Boden gebunden war. Dies gilt auch heute noch. So konnten nur die Eigentümer ab einer bestimmten Größe der Fläche das Wild darin jagen. Aber auch das führte dazu, dass die Grundherren das Wild stark dezimierten.

Erst eine Änderung der Gesetze, welche Tiere jagdbar sind und wer das Recht hat die Jagd auszuüben, änderte die Situation. Es wurden die Jagd- und Schonzeiten festgelegt, sowie die Pflicht zur Hege und Pflege. Außerdem wurde eine Jägerprüfung verpflichtend. Durch die Entwicklung der Trophäenjagd und der Hege und Pflege wurden die Wildbestände immer dichter. Da kräftige und prächtige Exemplare bei der Jagd gewünscht waren, wurde das Wild gefüttert und versucht auf einer Stelle zu halten, um den Bedingungen gerecht zu werden und den Jägern ein einfaches Spiel zu ermöglichen. Das Wild vermehrte sich. Häufig wurde hier auch nicht effektiv gejagt oder die zu wenig erlegt, um den Wildbestand in der Balance zu halten. So wuchsen die Bestände immer mehr an. 

Wilddichte und ökologische Jagd heute 

Heute umfasst die Jagd im besten Fall vor allem naturschutzfachliche Aspekte. Der Schutz des Waldes sowie der Artenschutz stehen im Vordergrund. Somit unterliegt die Jagd dem Wandel der Zeit: Von der Sicherung des Überlebens über die alleinige Nutzung zum Vergnügen bis hin zum Schutz des Waldes heute. Auch Stimmen, die eine „ökologische Jagd“ fordern, werden immer größer.

In der Ökologischen Jagd geht es darum, eine naturnahe Jagd und Waldbewirtschaftung zu ermöglichen. Außerdem liegt das Augenmerk auch auf der Biodiversität von Pflanzen und Tieren. Es soll ein Wechsel stattfinden von einer eher die Arten betrachtenden Jagd hin zu einer, in der die Biotope gesehen werden und alle Tiere den gleichen Stellenwert haben. Die natürlichen Prozesse in diesen Biotopen sollen durch die Jagd unterstützt werden und im Zentrum stehen und nicht nur das prächtigste Exemplar entnommen werden für die Trophäe zu Hause. Auch die Jagdstrategien sollen sich bei der ökologischen Jagd hin zu Gemeinschafts- und Intervalljagden entwickeln. Dadurch bekommt das Wild mehr Ruhezeiten und unterliegt allgemein weniger Stressfaktoren. So kann es wieder zu natürlichen Tag-Nacht-Rhythmen kommen und das Wild traut sich auch tagsüber aus den Einständen. Durch die Jagdzeiten haben sich viele der Aktivitätszyklen verschoben und in die Nacht verlegt, da die Nacht üblicherweise weniger Stress und menschliche Aktivität bedeutet. Auch wenn das natürliche Verhalten des Wildes tagaktiv wäre. 

Welche Lösungsansätze es schon gibt

Durch Vergleichen der Jagdstatistik kann ermittelt werden, dass die Abschusszahlen der meisten Tiere immer mehr ansteigen. Natürliche Schwankungen bleiben auch hier nicht aus, aber die Zahlen sind eindeutig. Vor allem das Schalenwild, hauptsächlich Reh- und Schwarzwild, verzeichnet steigende Zahlen. Allerdings fallen einige Zahlen auch, so wie beim Rebhuhn oder dem Feldhasen. Natürliche Schwankungen kommen vor allem bei kalten Winter- oder Frühjahrswetter mit Regen vor oder durch den Ausbruch von Krankheiten. Allerdings wird gegen diese Schwankungen „gearbeitet“, so zum Beispiel wird im Winter das Wild häufig gefüttert. 

Konfliktpotenziale

Der häufigste Konflikt diesbezüglich liegt zwischen der Wilddichte und dem Wald. In diesem Hinblick wird vor allem der Verlust des Waldes und der Waldverjüngung in den Vordergrund gestellt. Bei zu hohen Wilddichten kann es zuviel Verbiss kommen. Regional kann dieser sogar so stark sein, dass die Naturverjüngung nicht mehr ohne Zutun ausreicht. So müssen auf diesen Flächen Jungpflanzen entweder einzeln geschützt oder eingezäunt werden oder die Jagd effektiver gestaltet werden, um den Jungpflanzen eine Chance zu geben. Wenn die Dichte wieder so ausbalanciert ist, dass sich der Wald selbst regenerieren kann, sollte auch die Jagd wieder angepasst werden. Generell sollte aber das Gesetz die Rahmenbedingungen liefern und eine nachhaltige Jagd stattfinden, die den Wald und die Tierarten schützt. 

Ein gutes Wildtiermanagement mit dem Einbeziehen aller relevanten Akteure kann hierbei eine Lösung sein. Um die Probleme in den Griff zu bekommen, muss das nicht automatisch mehr Jagd bedeuten, sondern kann auch auf der Zusammenarbeit von zum Beispiel Forst- und Landwirtschaft sowie Naturschutz liegen. 

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Anti-mikrobielles Resistenzgen in Wölfen gefunden

Ein Team der Universität Teramo und des Majella Nationalparks hat Beweise für ein anti-mikrobielles Resistenzgen (AMR) in Wölfen gefunden. Die Forscher bestätigten die Existenz des Tetracyclin-Resistenzgens TetA (P) in einer der beiden Wolfsrudel in den Apenninen. Tetracyclin ist ein Antibiotikum gegen bakterielle Krankheiten. Dieser Fund bestätigt, dass angrenzende landwirtschaftliche Aktivitäten einen erheblichen Einfluss auf die Wildtiere und deren Lebensraum haben können und dass durch sie auch die Verbreitung von Antibiotikaresistenzen untersucht werden können.

Ursprung des AMR-Resistenzgens in der Region

Im Jahr 2017 verwendeten Wissenschaftler GPS-Geräte, um zwei Wolfsrudel im und um den Majella Nationalpark in Italien zu verfolgen. Ein Rudel lebte vollständig im Nationalparkgebiet, während das andere Rudel ein größeres Verbreitungsgebiet hatte. Dieses umfasste auch Zonen außerhalb des Nationalparks, wo Menschen wohnen und Landwirtschaft betrieben wird. Bei der Analyse der Losungen der Rudel fanden die Wissenschaftler das AMR-Resistenzgen nur im Rudel welches sich auch außerhalb des Nationalparks bewegte.

Dieses AMR-Resistenzgen wurde zuvor vor allem in Nutztieren gefunden. Durch den weit verbreiteten Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung entwickeln diese eine Resistenz gegen Arzneistoffe wie Tetracyclin. Diese Stoffe werden bis zu 80% von den Tieren wieder ausgeschieden, wodurch auch Boden und Wasser kontaminiert werden.

Die Wissenschaftler glauben, dass das AMR-Resistenzgen im Wolf nicht durch Nutztierrisse entstanden ist, weil diese fast nicht existent sind in diesem Gebiet. Die Erklärung scheint in dem vom Menschen beeinflussten Lebensraum des Wolfes zu liegen. Denn das Rudel, das teilweise in Gebieten außerhalb des Nationalparks lebte, hielt sich in der Nähe von Dörfern, Schweinefarmen, Schlachthöfen und Fleischverarbeitungsbetrieben auf. Deshalb weist die Studie darauf hin, dass die Kontamination der Umwelt in diesem Gebiet zum Antibiotikakonsums des Wolfes führte und dadurch zur Entwicklung des AMR-Resistenzgens.

Konsequenzen des AMR-Resistenzgens in der Umwelt

In der Vergangenheit lebten Wildtiere normalerweise in Gebieten, die frei von menschlichem Einfluss waren. Infolgedessen waren sie nicht oft einer Kontamination ausgesetzt, die Stoffe enthält, die zu einer Antibiotikaresistenz führen. Die Ausweitung von städtischen und landwirtschaftlichen Flächen hat jedoch unbeabsichtigte Folgen. Es hat dazu geführt, dass Wildtiere vermehrt menschliche Nahrungsquellen und dessen Kontamination in ihre Ernährung einbeziehen.

Die Existenz anti-mikrobiell resistenter Gene in der Natur kann sich als gefährlich erweisen. Denn solche Gene können dazu führen, dass multi-resistente Bakterien und Infektionskrankheiten entstehen, die sowohl Menschen als auch Tiere bedrohen. Im Endeffekt ist dies nur ein weiteres Beispiel für die Auswirkungen von nicht nachhaltiger Landwirtschaft auf die Biodiversität. Diese Studie zeigt auch, dass ein Wildtier wie der Wolf als Indikator für die Untersuchung des Einflusses des Menschen auf die Umwelt benutzt werden kann.

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